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Mittelbayerische Zeitung: Eine Frage des Vertrauens Leitartikel zum Euro-Rettungssschirm

Geschrieben am 06-09-2011

Regensburg (ots) - Die Parallele drängt sich auf, gerade
angesichts des bevorstehenden Jahrestags der Anschläge vom 11.
September 2001: So wie vor knapp zehn Jahren ihr Vorgänger Gerhard
Schröder muss Bundeskanzlerin Angela Merkel jetzt die Abweichler aus
den eigenen Reihen unbedingt auf Kurs bringen. Die Situation ist
ähnlich, doch die Methoden werden sich am Ende deutlich
unterscheiden. Im Angesicht des Terrors hatte Schröder den USA damals
spontan die uneingeschränkte Solidarität Deutschlands zugesagt. Als
der Bündnispartner schließlich für die Jagd auf Osama bin Laden in
Afghanistan zu den Waffen rief, stand der Kanzler im Wort - konnte
sich aber innerhalb der rot-grünen Koalition der Mehrheit für den
Bundeswehr-Einsatz nicht sicher sein. Um sich nicht die Blöße zu
geben, seinen internationalen Verpflichtungen nur noch dank der Gnade
der schwarz-gelben Opposition nachkommen zu können, verknüpfte er die
Abstimmung mit der Vertrauensfrage: Hätte der Bundestag den
Afghanistan-Einsatz abgelehnt, hätte er damit praktisch seine eigene
Auflösung beschlossen. So zwang Schröder die Abweichler in den
eigenen Reihen auf Kurs. Auch Merkel hat vollmundig internationale
Zusagen getroffen, als sie sich gemeinsam mit Frankreichs Präsident
Nicolas Sarkozy vor der Weltpresse als Euro-Retterin präsentierte.
Auch sie kann sich nicht sicher sein, ob ihre eigene Koalition ihren
Kurs mitgeht. Und auch in ihrem Fall wartet die Opposition nur
darauf, das Gesetz großzügig abzunicken - um hinterher genüsslich die
Tatsache auszuschlachten, dass die Kanzlerin eine Entscheidung von
solcher Tragweite nicht mehr mit einer eigenen Mehrheit durchsetzen
konnte. Ein solches Szenario ist für Merkel heute genauso undenkbar
wie für Schröder damals. Sie wäre damit politisch unten durch - und
zwar nicht nur innerhalb Deutschlands: Ihr in den vergangenen Monaten
sorgsam aufpoliertes Bild als mächtigste Frau der Welt würde dadurch
einen nicht mehr zu reparierenden Sprung bekommen. Und das in einem
Moment, in dem die Kanzlerin angesichts der eher unrühmlichen Rolle
des Außenministers die einzige deutsche Identifikationsfigur mit
internationaler Tragweite ist. Sollte es Merkel nicht gelingen, sich
partei- und koalitionsintern durchzusetzen, hätte auch Deutschland
als Vertragspartner in Europa und der Welt viel Vertrauen verspielt.
Trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - wird Angela Merkel die
schwarz-gelbe Zustimmung zum Euro-Rettungsschirm wohl kaum in
Schröder-Manier mit der Brechstange durchsetzen. Sie ist weit weniger
emotional als ihr Vorgänger, taktiert stattdessen kühl und geschickt
hinter den Kulissen - zum Beispiel wenn es darum geht, allzu
machthungrige Politiker-Kollegen aus den eigenen Reihen auf Abstand
zu halten. Es ist zu erwarten, dass es ihr auch an diesem vielleicht
entscheidenden Punkt ihrer Amtszeit gelingen wird, genügend
abtrünnige Abgeordnete auf Linie zu bringen - von denen einige die
Probeabstimmung wohl ohnehin nur als öffentlichkeitswirksame Chance
genutzt haben, um ein wenig den Aufstand zu proben. Denn eines ist
auch den Abweichlern klar: Sollte Merkel sich doch noch versucht
sehen, die Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm mit der
Vertrauensfrage zu verknüpfen, dann stünde nicht nur der Job der
Kanzlerin auf dem Spiel: Legt man die aktuellen Umfrage-Werte
zugrunde, würden bei vorgezogenen Neuwahlen etwa alle
FDP-Abgeordneten ihre Mandate verlieren. Diese Aussicht wird am Ende
ausreichen, um auch in den sauersten Euro-Apfel zu beißen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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