(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Lernwillig, aber nicht immer schulfähig - Leitartikel

Geschrieben am 06-09-2011

Berlin (ots) - Wenn die Anmeldungen kommen, zählen die Lehrerinnen
der Anfängerklassen: Wie viele Kinder werden erst im November oder
Dezember sechs? Damit bekommen sie schon mal einen ersten Überblick,
wie laut es in ihrem Klassenraum wohl werden wird. Faustregel: Je
mehr sehr junge Kinder in der Klasse, desto höher der Lärmpegel.
Fünfjährige wollen lernen, sie sind wissbegierig und aufgeschlossen,
und es gibt keinen Grund, diese Lernbereitschaft nicht zu nutzen.
Aber längst nicht alle sind schulfähig. Jedenfalls dann nicht, wenn
Schule so ist, wie viele Erstklässler sie kennenlernen: mit 28
Kindern in einem kleinen Klassenraum, einem Stundenplan, der oft
genug von Raumnot und Lehrermangel diktiert wird. Und mit einer
Lehrerin, die sich in den ersten Monaten darauf konzentrieren muss,
alle neuen Schüler so weit zu bringen, dass sie sich die Schuhe
anziehen können und wissen, dass man im Unterricht nicht einfach
rausgeht, wenn man keine Lust mehr hat. Um Fünfjährige zu fördern,
müssen sich Spiel- und Lernphasen abwechseln. Wer sich gerade eine
Stunde auf dem Spielplatz ausgetobt hat, kann anschließend mit
Ausdauer und Freude Buchstaben und Zahlen kennenlernen. In Berlin gab
es bis 2005 eine Einrichtung, die Kindern genau das ermöglicht hat:
die Vorschule. Die aber wurde unter Schulsenator Klaus Böger
abgeschafft, die vorschulische Bildung allein den Kitas übertragen.
Dort wird diese Aufgabe unterschiedlich interpretiert: Manche
Einrichtungen bilden Vorschulgruppen, manche integrieren die
Vorschularbeit in den Alltag, gelegentlich geht sie ganz unter. Umso
härter ist dann der Wechsel in die Schule: Wer im Juli in der Kita
den ganzen Tag gespielt hat, muss im September plötzlich reihenweise
B und E schreiben. Wer in der Kita mittags in der Ruhezeit regelmäßig
eingeschlafen ist, muss in Ganztagsschulen von acht bis 16 Uhr
durchhalten und auch nachmittags noch aufmerksam zuhören. Natürlich
gehört das zum Großwerden dazu. Aber nicht jedes Kind ist mit
fünfeinhalb Jahren so weit. Deshalb ist es gut, dass es in
Ausnahmefällen wieder möglich ist, Kinder ein Jahr später
einzuschulen. Aber eine wirkliche Lösung für die Probleme in den
Schulen ist die Rückstellung einzelner Kinder nicht. Wenn Berlin am
frühen Einschulungsalter festhalten will, brauchen Lehrer mehr
Unterstützung: Förderunterricht, der nicht ständig ausfällt, weil die
Lehrer in anderen Klassen unterrichten müssen. Und Sonderpädagogen,
die die Kinder mit Förderbedarf in kleinen Gruppen unterrichten. Die
gibt es schon in den Schulen - aber nur immer mal wieder, und wenn
sie anderswo dringender gebraucht werden, sind sie weg. Eine
kontinuierliche Förderung sieht anders aus. Stattdessen auf die
Schulanfangsphase zu verweisen, für die die Kinder zwischen einem und
drei Jahren Zeit haben, ist keine Lösung. Jeder Siebenjährige weiß,
was es bedeutet, wenn die mit ihm eingeschulten Kinder eine Klasse
höher gehen und er nicht. Für Kinder ist Sitzenbleiben Sitzenbleiben,
auch wenn es heute nicht mehr so heißt.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

350788

weitere Artikel:
  • GVO-Urteil des Europäischen Gerichtshofes: Honig-Verband erwartet keine kurzfristigen Konsequenzen Hamburg (ots) - Der Honig-Verband erwartet nach einer ersten Einschätzung keine kurzfristigen Konsequenzen aus dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes über die Auslegung der GVO-Verordnung Nr. 1829/2003 in Bezug auf Honig. "Wir werden das Urteil noch prüfen, gehen aber davon aus, dass die Produkte unserer Mitglieder weiterhin verkehrsfähig sind", so ein Sprecher des Verbandes. "In Einzelfällen können Polleneinträge von genveränderten Pflanzen nicht ausgeschlossen werden. Beim allergrößten Teil dieser Honige stammen mehr...

  • Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung Die "Berliner Zeitung" kommentiert das bundespolitische Comeback Platzecks Berlin (ots) - Für die Erfolgsaussichten einer Partei gibt es einen zuverlässigen Indikator: Die Nachfrage nach Ämtern übersteigt das Angebot. Die SPD, die sich eigentlich auf eine lange Oppositionszeit eingerichtet hatte und deshalb wenig Andrang auf Führungsämter verzeichnete, erlebt dies gerade. Die Landtagswahlen in diesem Jahr und der desaströse Zustand der schwarz-gelben Koalition haben bei vielen Sozialdemokraten die Hoffnung und die Lust geweckt, in zwei Jahren auf Bundesebene wieder eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn Matthias mehr...

  • Berliner Zeitung: Inlandspresse - keine Vorabmeldung Die "Berliner Zeitung" zur Vorratsdatenspeicherung Berlin (ots) - Der Bundesinnenminister beklagte unlängst eine Schutzlücke: Polizei und Staatsanwaltschaften könnten nicht gegen Verbrecher ermitteln könnten, weil die nötigen Telefondaten nicht lange genug gespeichert würden. Jetzt stellt sich heraus: Es gibt diese Schutzlücke offenbar gar nicht, die nötigen Daten sind bei meisten den Mobilfunkanbietern vorhanden. Sie können, wie es Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorschlägt, bei einem konkreten Verdacht eingefroren und ausgewertet werden. Jetzt muss Schnarrenberger mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Eine Medizin nach Schweizer Rezeptur Ein Kommentar von Ingo Faust Düsseldorf (ots) - Die Schweizer haben es satt, ihren Franken als Fluchtwährung für die lahmende Weltkonjunktur und die Währungskrise in Europa zur Verfügung zu stellen. Sie haben die Notbremse gezogen. Ehe der Leidensdruck der Exportwirtschaft zu groß wird und die nächste Wintersport-Saison floppt, wurde kurzerhand der Franken - jedenfalls vorübergehend - an den Euro gekoppelt. Mindestens 1,20 Franken soll der Euro kosten, die zeitweise fast erreichte Parität zum Euro soll Vergangenheit sein. Die Finanzmärkte zeigten sich überrascht, mehr...

  • Neues Deutschland: zu den Verbindungen BND - Libyen Berlin (ots) - Heute wird in den abgeschirmten Räumen des Parlamentarischen Kontrollgremiums mal wieder die bei keinem so richtig beliebte Quizsendung »Zwölf Abgeordnete fragen, der BND antwortet irgendwas« aufgeführt. Diesmal ist die »Libyen-Connection« aufgerufen. Es versteht sich, dass alles ohne Publikum abläuft. Schließlich geht es ja um mehr als nur um die Sicherheit von uns Bürgern. Es geht um die Sicherheit Deutschlands. Moralische Bedenken kann man sich da nicht leisten, da ist so etwas Wesentliches wie Staatsraison verlangt. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht