(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Euro/Wirtschaftsregierung

Geschrieben am 28-08-2011

Regensburg (ots) - Die zuletzt massiven Turbulenzen an den
europäischen Märkten haben die Eurozone in die Enge getrieben. Der
Handlungsdruck war so groß, dass Berlin und Paris in die Vollen
griffen. Nichts weniger als eine "eine echte Wirtschaftsregierung"
samt einer "qualitativ neue Phase der Zusammenarbeit in der Eurozone"
versprach Angela Merkel nach ihrem Treffen mit dem französischen
Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Die groß angekündigte Revolution
könnte sich jedoch als Papiertiger erweisen. Denn dass die
Hauptstädte tatsächlich Macht und Kompetenzen an Brüssel abgeben,
darf bezweifelt werden. Woran die Eurozone krankt, ist spätestens
seit Ausbruch der Schuldenkrise klar: Die Mitgliedsstaaten verfügen
zwar über dieselbe Währung, kochen aber in der Wirtschafts- und
Steuerpolitik ihr eigenes Süppchen. Diesen entscheidenden
Konstruktionsfehler der Währungszone wollen Berlin und Paris mit
ihren Vorschlägen zur Wirtschaftsregierung nun ausbügeln. Mindestens
zwei Mal pro Jahr sollen sich die Regierungschefs der Eurozone
treffen und ihr Vorgehen aufeinander abstimmen. Was zunächst gut
klingt, dürfte in Wirklichkeit wenig Schlagkraft haben. Denn Tatsache
ist, dass sich die Staaten bisher vehement dagegen gewehrt haben,
nationale Kompetenzen an Brüssel abzugeben. Dass sich daran in
Zukunft wenig ändern wird, zeigt ein Blick auf den Aufbau der
Institution: eine Wirtschaftsregierung bestehend aus lauter
Regierungschefs. Diese werden mit aller Macht ihre nationalen
Interessen verteidigen. Um den hochgesetzten Ansprüchen gerecht zu
werden, müsste ein unabhängiges Gremium eingesetzt werden, das
tatsächlich die Steuerpolitik abstimmt sowie einen gemeinsamen
Haushalt aufstellt. So notwendig diese Maßnahmen für die Gesundung
der Eurozone wären, so unwahrscheinlich ist ihre Einführung. Dafür
spricht auch die von Merkel und Sarkozy vorgeschlagene Nominierung
Herman Van Rompuys für den Vorsitz der Wirtschaftsregierung. Der
stille Belgier ist Berlin und Paris als Sekretär gerade Recht. Denn
dass eigene Machtansprüche von seiner Seite kaum zu erwarten sind,
haben die vergangenen Monate gezeigt. Als 2009 installierter,
ständiger EU-Ratsvorsitzender verwaltet Van Rompuy in Brüssel den
Willen Merkels und Sarkozys und bemüht sich hinter den Kulissen um
Kompromisse. Gleichzeitig dürfte es mit Aufbau des neuen
Gipfelgremiums zu einer schleichenden Entmachtung der sich aus den
Finanzministern zusammensetzenden Eurogruppe kommen. Das Signal
könnte fataler nicht sein: Merkel und Sarkozy stellen sicher, dass
sie die wichtigsten Akteure in der Euro-Wirtschaftsregierung sind.
Doch es ist nicht nur die Personalie Van Rompuys, die an der
Schlagkräftigkeit des deutsch-französischen Plans zweifeln lässt.
Tatsächlich sind die meisten der genannten Vorschläge schon bekannt
oder zumindest teilweise beschlossen. Das trifft beispielsweise auf
die von Merkel und Sarkozy geforderte Schuldenbremse für alle
Euroländer zu. Sie ist bereits Teil des im März beschlossenen
"Euro-Plus-Pakts". Dass zudem die Vorschläge von zwei Ländern im
Alleingang vorgelegt worden sind, verlangsamt die Prozesse. Erst wenn
alle Euro-Länder den Plänen zugestimmt haben, erhalten sie
tatsächlich Gültigkeit. Dieser Umstand dürfte Angela Merkel gerade
Recht kommen. Schließlich ist sie in Sachen Wirtschaftsregierung
schon wieder ein Stück zurückgerudert. Bis es also tatsächlich soweit
ist, dass die europäische Wirtschafts-, Steuer- und Haushaltspolitik
von Brüssel aus koordiniert wird, wird noch sehr viel Zeit vergehen.
Merkel hat das Kanzleramt dann vermutlich schon längst räumen müssen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

349145

weitere Artikel:
  • Südwest Presse: Kommentar: Westerwelle Ulm (ots) - Außenminister auf Abruf Ob Iraks Saddam Hussein, Tunesiens Zine al-Abidin Ben Ali oder Syriens Bashar al-Assad - durch wirtschaftliche Sanktionen allein hat keiner dieser Diktatoren sein Amt verloren. Bei Hussein war es Militärgewalt, bei Ben Ali der Druck der Straße. Al-Assad kämpft weiter mit seinem Volk. Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi führt Krieg gegen seine Bürger, der aber hoffentlich bald - auch Dank des Einsatzes der Nato - zu Ende ist. Der Machtwechsel in Libyen ist ein peinliches Beispiel für deutsche mehr...

  • Rheinische Post: Wahn des Tyrannen Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Lothar Schröder: Gaddafis Angebot zu Gesprächen und Verhandlungen mit den Rebellen ist kein Zeichen mehr von Taktik oder irgendeiner Krisendiplomatie. Diese Geste des Diktators trägt alle Züge eines Wirklichkeitsverlustes. Es sind die letzten Belege jener Blindheit, die am Ende ihrer Herrschaft so viele Tyrannen befällt und die selbst einfache Überlebensinstinkte außer Kraft zu setzen scheint. Etliche Despoten des 20. und 21. Jahrhunderts retteten wegen ihres Wahns nicht einmal die eigene mehr...

  • Rheinische Post: Merkels Monat der Wahrheit Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Michael Bröcker: Unter Druck und in der Krise ist Angela Merkel am besten. Das sagen zumindest ihre Anhänger gerne. Wenn das stimmt, können die Deutschen in den kommenden Wochen eine aufblühende Regierungschefin erwarten. Mehr Druck und mehr Krise geht nicht. Die Kanzlerin hat es bis heute nicht vermocht, ihren seit eineinhalb Jahren währenden Euro-Rettungsmaßnahmen einen intellektuellen Überbau, gar eine Erklärung zu geben. Die in der großen Koalition als Krisenmanagerin gelobte CDU-Kanzlerin mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu E10 Halle (ots) - Die Mineralölwirtschaft hat die Auflage, den Biosprit-Anteil im Kraftstoff zu erhöhen. Doch den neuen Biokraftstoff E 10 will kaum ein Autofahrer tanken. Dies liegt an der großen Verunsicherung über die Qualität des Kraftstoffs. Daran trägt auch die Mineralölwirtschaft Schuld, die bei der Einführung kaum informierte. Die möglichen Strafzahlungen von 300 bis 400 Millionen Euro der Branche wegen der verfehlten Biokraftstoff-Quote will der BP-Manager auf die Kunden abwälzen. Das ist absurd. Denn wenn die Strafe nur als mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Ostsee-Zeitung (Rostock) zur Klausurtagung der Linkspartei Rostock (ots) - Mit gehörig Wut im Bauch war einer der Gründungsväter der neuen Linken, Oskar Lafontaine, zur Klausur nach Rostock gereist. Unter den glücklosen Nachfolgern Lötzsch und Ernst ist die Linke derzeit vor allem damit beschäftigt, sich selbst ins Abseits zu bugsieren. Nicht nur die Wahlkämpfer in MV und Berlin sind stinksauer, dass immer neue Peinlichkeiten an der Bundesspitze die Linke nicht gesellschaftsfähig und erst Recht nicht koalitionsfähig erscheinen lassen. Das Ansehen der Linken ist verheerend. Pressekontakt: mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht