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Mittelbayerische Zeitung: Zur Schuldenkrise: Die Euro-Feuerwehr versagt

Geschrieben am 10-08-2011

Regensburg (ots) - Wie dramatisch es um das Weltfinanzsystem
wirklich steht, lässt sich weniger am Krisenmanagement von Barack
Obama, Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ablesen als an der Wortwahl
von Börsenanalysten, wenn sie den Crash auf Raten kommentieren. Eine
"Handelswoche des Grauens" hätten die Aktienmärkte hinter sich,
erklärte ein Frankfurter Experte nach den dramatischen Kursverlusten.
Alle hektischen Versuche der Industriestaaten, die Märkte zu
beruhigen, wirken bestenfalls wie Placebos, wie sich an den
Börsenkursen ablesen lässt. Nach dem rasanten Absturz, bei dem wieder
einmal Billionenwerte vernichtet wurden, erleben wir eine wilde
Achterbahnfahrt mit ungewissem Ausgang. Jeder fragt sich, ob jetzt
die halbe Welt bankrott geht. Denn das Außergewöhnliche an der
aktuellen Krise ist, dass wir es mit einem doppelten Flächenbrand zu
tun haben, der in den USA und in Europa gleichzeitig wütet. Und was
unternehmen die wichtigsten Krisenmanager? Obama lässt sich im Kampf
gegen den Staatsbankrott von den Republikanern über den Tisch ziehen.
Das war eine Einladung an die Ratingagenturen, Amerika die
Top-Bonität zu entziehen. Und was tun die Oberhäuptlinge der
Eurozone, die urlaubende Bundeskanzlerin und der wahlkämpfende
französischen Präsident? Sie telefonieren miteinander und lassen dann
verbreiten, dass die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 21. Juli schon
helfen werden, wenn sie endlich umgesetzt sind. Das ist so, als ob
zwei Feuerwehrkommandanten vom Gardasee aus einen Großbrand in der
Regensburger Altstadt bekämpfen, indem sie per Handy auf die
Schublade hinweisen, in der ein Einsatzplan steckt. Wie die Reaktion
an den Börsen zeigt, interpretiert die Finanzwelt das politische
Krisenmanagement ähnlich: Überfordert, immer mindestens einen Schritt
der Realität hinterher und letztlich hilflos. Der politische
Vertrauensverlust wiegt schon schwer genug. Doch nun droht auch noch
der Europäischen Zentralbank großer Schaden. Indem die EZB
italienische und spanische Staatsanleihen kauft, um die Börsenpanik
zu beenden, verspritzt sie Löschwasser, das ihr gar nicht gehört.
Denn letztlich haften alle Steuerzahler für die Intervention. Die EZB
setzt damit außerdem ihren bisherigen Nimbus als unabhängige Hüterin
einer stabilen Währung aufs Spiel. Auch das nagt am Vertrauen. Angela
Merkel muss an ihrem Urlaubsdomizil bittere Erfahrungen machen. Alle
ihr zur Verfügung stehenden politischen Instrumente haben keinen
wirklichen Einfluss auf die Finanzmärkte. Alle müssen jetzt den Preis
zahlen für das hemmungslose Schuldenmachen in der Vergangenheit - in
Europa genauso wie in Amerika. Politisch verheerend für die
Bundesregierung ist der öffentliche Eindruck, dass vor allem die
deutschen Steuerzahler für die Verschwendungssucht und das
vermeintlich süße Leben der Griechen und bald auch der Italiener,
Spanier und Portugiesen zur Kasse gebeten werden sollen. Schon jetzt
wirft der Bundestagswahlkampf seine Schatten voraus. Die Eurokrise
wird ein zentrales Thema werden - wohl vor der Energiewende und der
Bildungspolitik. Und im Gegensatz zu früher droht Merkel diesmal
gewaltiger Ärger mit den Parteifreunden. Bei der Griechenland-Rettung
fühlten sich viele Abgeordnete übergangen - zu Recht - und fordern
deshalb einen Sonderparteitag. Letztlich hat die Kanzlerin das
Parlament zum Abnickverein gemacht - ebenso wie schon beim
Atomausstieg. Wenn es im Kampf gegen die Schuldenkrise auch in den
nächsten Tagen nur Misserfolge zu vermelden gibt, wird die CDU
richtig aufmucken. Bei der Abstimmung im Bundestag über das
Griechenland-Rettungspaket könnte Merkel dann schlimmstenfalls ohne
eigene Mehrheit dastehen, was wieder verheerend für das Vertrauen in
den Euro wäre. Doch viel Zeit bleibt den Regierungen nicht mehr, die
Brände an den Finanzmärkten gemeinsam und entschlossen zu bekämpfen.
Wenn die Krisenmanager erneut versagen, wächst sich der Börsencrash
zu einer Abwärtsspirale aus, die die Weltwirtschaft mit sich reißt.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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