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BERLINER MORGENPOST: Auf die Droge Schulden folgt der kalte Entzug Jan Dams über die gesenkte Bonitätsnote der USA und die Lehren für Deutschlands Politik

Geschrieben am 06-08-2011

Berlin (ots) - Was haben die Europäer in den vergangenen Monaten
geschimpft, wenn ihnen die drei großen Ratingagenturen mit einer
Herabstufung drohten. Und immer schwang dabei die Unterstellung mit,
den Bonitätsprüfern - drei Unternehmen amerikanischer Herkunft -
ginge es nur darum, Europa und damit den Euro klein zu halten. Hinter
vorgehaltener Hand wurden Verdächtigungen geäußert, Standard &
Poor's, Moody's und Fitch handelten möglicherweise sogar im Auftrag
der amerikanischen Regierung, um von den Problemen daheim abzulenken.
Für solche böswilligen Unterstellungen gibt es nun keinen Grund mehr.
Standard & Poor's, die wohl wichtigste unter den drei Konkurrenten,
hat den USA die Spitzennote entzogen. Amerika verliert nach sieben
Jahrzehnten nicht nur sein "AAA"-Rating. Schlimmer noch, mit einem
negativen Ausblick versehen, bedeutet das neue Bonitätsurteil auch,
dass die Amerikaner das bislang als sicher geglaubte Spitzenprädikat
so schnell nicht wiederbekommen werden. Die größte Wirtschaftsmacht
der Welt rangiert damit in ihrem finanzpolitischen Status auf dem
Niveau von Neuseeland und dem politisch völlig zerstrittenen Belgien
- alles Länder, die im direkten Vergleich auffällig zweitklassig
wirken. Trotzdem fällten die Bonitätsprüfer ihr Urteil völlig zu
Recht. Denn am Ende ist es nicht allein die horrende
Staatsverschuldung der USA, die zu der neuen Einschätzung führte. Und
es sind auch nicht nur die schwache Wirtschaftslage jenseits des
Atlantiks und die hohen Lasten für die noch immer laufenden
Konjunkturpakete dort. Was Amerika das "AAA" gekostet hat, ist die
Zerstrittenheit seiner Politik. Dass es in Washington einflussreiche
Entscheidungsträger gibt, die bereit waren, ihr Land durch einen
absichtlich herbeigeführten Zahlungsausfall ins finanzpolitische
Chaos zu stürzen, hat die USA Vertrauen gekostet. Kein Beobachter
hätte sich am Ende des Streits über die Erhöhung der Schuldengrenze
noch gewundert, wenn die Anhänger der Tea-Party-Bewegung den Staat in
die Pleite getrieben hätten, nur um dem gewählten Präsidenten zu
schaden. Deshalb sind die USA durchaus mit dem politisch ebenso
zerstrittenen Belgien zu vergleichen. Ein Staat, dessen Politik
bereit ist, den Gläubigern nicht die ausstehenden Schulden zu
bezahlen, hat keine bessere Bonitätsnote verdient. Schließlich ist
diese nichts weiter als das in Buchstaben gegossene Urteil über die
Zahlungsfähig- und Zahlungswilligkeit des Schuldners. Auch in
Deutschland sollte man sich die Ereignisse in den USA genau angucken.
Investoren verborgen ihr Geld einfach nicht mehr, wenn sie erst an
der Kreditwürdigkeit eines Landes zweifeln. Nicht nur in Griechenland
werden die Menschen ihre Ansprüche senken. Auch die Deutschen müssen
lernen, dass Politik nicht mehr darin bestehen kann, jede
Bevölkerungsgruppe mit immer neuen Wohltaten zu beglücken. Das wird
wehtun und zu Verteilungskämpfen führen. Denn ein Land, das wie
Deutschland 40 Jahre über seine Verhältnisse gelebt hat, wird sich
bei diesem Politikwechsel wie ein Junkie auf kaltem Entzug fühlen.
Eine Alternative dazu aber gibt es nicht, wenn wir diesen Staat nicht
irgendwann ruinieren wollen.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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