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Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Intrigen

Geschrieben am 28-07-2011

Regensburg (ots) - Auch wenn die Bilder der Gewalt das Gegenteil
suggerieren: In der aktuellen Krise um die Grenzübergänge war es die
Regierung des Kosovo, die auf Eskalation gesetzt hat, und nicht die
serbische Seite. Gerade als eine Einigung über den Warenverkehr
zwischen Serbien und dem Kosovo zum Greifen nahe schien, hat Pristina
mit einer Handelsblockade gegen das Nachbarland plötzlich und ohne
Not einen scharfen Ton in den Streit gebracht. Und mit dem Versuch,
die Handelsblockade von der Spezialpolizei durchsetzen zu lassen, hat
die Regierung des Kosovo gegen den ehernen Grundsatz verstoßen, dass
Veränderungen in der Region nur noch auf dem Verhandlungswege
angestrebt werden sollen. Die aggressiven Randalierer an den
Grenzübergängen müssen einem deshalb nicht sympathisch sein. Es
stimmt, wie Kosovo-Premier Hashim Thaci gesagt hat, dass die
Situation des nördlichen Kosovo ein Ärgernis ist. Weil es
international über den Status des Kosovo noch immer keine Klarheit
gibt, können in dem serbisch dominierten Gebiet weder Pristina noch
Belgrad die Kontrolle ausüben. Die Uno, die formal das Recht dazu
hätte, schafft es nicht. Die Folge ist ein "schwarzes Loch": ein
Zustand der Gesetzlosigkeit, verbunden mit lukrativem Warenschmuggel,
der finstere Gestalten aus dem ganzen serbischen Sprachraum anzieht.
Das Ärgernis besteht allerdings schon seit zwölf Jahren. Warum man
dem Zustand ausgerechnet jetzt, mitten in einer Phase der
Entspannung, mit Gewalt ein Ende setzen muss, kann und will Thaci
nicht erklären. Der wahre Grund ist ein taktischer und deutet darauf,
dass das unheilvolle Spiel des Tauziehens, bei dem jeder mal auf
Kosten des anderen ein bisschen Boden macht und nie einer gewinnt,
auf dem Balkan offenbar immer noch weitergespielt wird. Belgrad
befindet sich gerade in einer Position der taktischen Schwäche: Die
gemäßigte Regierung muss dringend einen Erfolg auf dem Weg nach
Europa vorweisen. Verdirbt sie es sich mit den Westmächten, ist es
mit der Annäherung an die EU schnell wieder vorbei. Das weiß man in
Pristina. Nicht von ungefähr hat Thaci über die "Gewalt in Zeiten der
EU-Annäherung" Krokodilstränen vergossen. EU und USA haben sich von
der kosovarischen Polizeiaktion, distanziert. Aber sie haben es lau
und halbherzig getan, und es müsste niemanden wundern, wenn da hinter
der schwachen roten Ampel nicht doch irgendwo ein grünes Licht
aufgeblitzt wäre. Die Kosovo-Regierung ist politisch, wirtschaftlich
und diplomatisch vollständig von der EU und den USA abhängig; sie
würde den Teufel tun, gegen deren Willen etwas zu unternehmen.
Amerikaner und Europäer drängen zu Recht darauf, dass das Problem des
Nordkosovo irgendwie gelöst wird. Ein Gebietstausch, wie Belgrad ihn
anstrebt, wäre gefährlich, weil er auch das Thema Bosnien wieder auf
die Tagesordnung brächte. Da kann es dem Westen - und im Grunde auch
Belgrad - nur recht sein, wenn das Thema Nordkosovo kurz und relativ
schmerzlos gelöst würde. Aber das Kalkül ist gefährlich. Für eine
solche Lösung mit halb zugekniffenem Auge gibt es ein historisches
Beispiel: die sogenannte Befreiung der serbisch gehaltenen Krajina
durch die kroatische Armee vor 16 Jahren. Damals hielt man es in
Washington für schlau, die Kroaten zu einer Militäraktion zu
ermuntern, die man vor der Weltöffentlichkeit offiziell nicht
gutheißen konnte. Es klappte, aber mit einem hohen Preis: Kroatien
nützte die Gelegenheit, alle im Gebiet lebenden Serben zu vertreiben.
Wer im zwischenstaatlichen Verkehr trickst, ruft Kräfte, die ihr
eigenes Spiel spielen. Schon die Randalierer an den Grenzübergängen
werden nicht, wie Thaci jetzt glauben machen will, von Belgrad
kontrolliert und genauso wenig kann in Washington oder Brüssel jemand
garantieren, dass die kosovarische Spezialpolizei an Absprachen hält,
an welche man die Regierung später öffentlich nicht erinnern kann.
Das Dumme an klugen Intrigen ist bekanntlich, dass sie meist anders
ausgehen als geplant.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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