(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Zur Griechenland-Rettung: Ein Schuldenerlass für Athen ist unausweichlich. Doch das Land muss dafür einen politischen Preis zahlen.

Geschrieben am 21-07-2011

Regensburg (ots) - Langsam wird aus der Euro-Rettung ein
albtraumhaftes Déjà vu: Wieder ein Krisengipfel in Brüssel, wieder
ein Rettungsschirm für Griechenland, wieder halbherzige
Beschwörungsformeln von Politikern, dass die Gemeinschaftswährung
nicht zugrundegehen darf. Genau dasselbe haben wir in den vergangenen
eineinhalb Jahren in schöner Regelmäßigkeit erlebt. Und das gestrige
Treffen in der EU-Hauptstadt wird nicht das Letzte gewesen sein. Die
europäischen Staatenlenker haben sich nämlich wieder einmal nur eine
Atempause erkauft. Vor allem das deutsch-französische Tandem, das
einst als Motor Europas fungierte, bremste sich erneut gegenseitig.
Eigentlich müsste man über die britische Zeitung "Guardian"
schmunzeln, die sich jetzt mit einem "Euro-Crisis-Song" über unsere
Gemeinschaftswährung lustig machte. Denn auch das Pfund hat die
Engländer nicht vor der Finanzkrise beschützt - ganz im Gegenteil.
Die Regierung in London setzt derzeit ein radikales Kürzungsprogramm
durch, vor dem die Sparbemühungen in Athen wie eine schwindsüchtige
Eule wirken. Doch das Lachen vergeht einem, weil es einen
wesentlichen Unterschied gibt: Die britische Wirtschaft baut auf
Substanz auf, die griechische Wirtschaft auf Ruinen. Egal, wie viele
Hilfspakete man noch schnürt: Sie zögern nur den Bankrott hinaus.
Auch wenn die Hellenen den Gürtel enger schnallen, auch wenn sie ihre
Staatsunternehmen verkaufen (von denen man nicht weiß, ob sie
überhaupt jemand haben will) - nach dem X-ten Krisentreffen muss es
selbst dem wohlmeinendsten Freund von Alexis Sorbas & Co. dämmern,
dass das Land niemals aus eigener Kraft aus seinen horrenden Schulden
rauskommen wird. Leider hat sich unsere Bundeskanzlerin, die den
klammen Griechen die mit Abstand dicksten Schecks in Aussicht
stellte, bis gestern um diese bittere Wahrheit herumgedrückt. Anstatt
klar die Marschrichtung vorzugeben, vollzieht Angela Merkel einen
Eiertanz, der die europäischen Partner verärgert, die Spekulanten zum
Zocken gegen den Euro einlädt, die Bevölkerung um ihr Geld zittern
lässt und den Verdruss über die EU salonfähig macht. Erst schließt
die Kanzlerin direkte Hilfen für Griechenland kategorisch aus, dann
stimmt sie auf einmal doch dafür. Erst bekennt sie sich zum vereinten
Europa, dann schimpft sie über die angeblich so faulen Beschäftigten
in den Mittelmeerländern. Erst bezeichnet sie den neuerlichen
Rettungsgipfel als überflüssig, dann beschwört sie einen Durchbruch,
den das Treffen erzielen müsse. Dass vorher auch noch Nicolas Sarkozy
ins Kanzleramt kommen muss, um überhaupt so etwas wie eine gemeinsame
Strategie hinzubekommen, zeigt außerdem, wie weit sich Berlin und
Paris inzwischen voneinander entfernt haben. Und das ausgerechnet in
der europäischen Frage, die einst das stärkste Band zwischen beiden
Partnern war. Doch es steht zu viel auf dem Spiel: Merkel und Sarkozy
dürfen nicht länger mit innenpolitisch motivierten Tanzschritten das
gesamte europäische Parkett ruinieren, sonst geht die EU zugrunde -
erst wirtschaftlich, dann politisch. Deshalb wäre es richtig, dass
sich Deutschland und Frankreich endlich zu einem Ende mit Schrecken
durchringen, sonst wird der griechische Albtraum zum ständigen
Begleiter. Ein teilweiser Schuldenerlass für Athen ist
unausweichlich, denn aus eigener Kraft kommt das Land auf keinen
grünen Zweig. Doch dieses Geschenk, für das vor allem Deutschland
geradestehen wird, muss einen politischen Preis haben: Den Ausschluss
Griechenlands aus dem Euroraum. Für die Griechen wäre das sogar eine
Chance, denn sie könnten die Drachme wieder einführen, die Währung
abwerten und dadurch der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Und
für andere Wackelkandidaten wie Portugal, Irland, Spanien und
vielleicht auch Italien wäre der Rauswurf Athens eine Warnung, damit
sie demnächst nicht selbst laut nach einem Schuldenschnitt rufen.
Denn in diesem Fall würde die EU zur Gemeinschaft mit unbeschränkter
Haftung - durch den deutschen Steuerzahler.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

343798

weitere Artikel:
  • Saarbrücker Zeitung: Bundesregierung prüft weitere Hilfen für Ostafrika Saarbrücken (ots) - Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) hofft, dass sich die Hungerkatastrophe in Ostafrika noch verhindern lässt. Niebel sagte der "Saarbrücker Zeitung" (Freitag): "Die internationale Gemeinschaft setzt alles daran, diese Katastrophe noch abzuwenden." Die Bundesregierung prüfe derzeit, "welche weiteren Mittel wir bereitstellen können". Die Regierung hatte vor wenigen Tagen ihre Soforthilfe auf 14 Millionen Euro erhöht. Niebel betonte, man stehe im engen Kontakt zum Welternährungsprogramm, das die mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: A 14: Landes-Verkehrsminister blamiert sich mit Kritik an Ramsauer Halle (ots) - Magdeburg. Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Thomas Webel (CDU) hat sich mit Äußerungen zum stockenden Ausbau der A14 nördlich von Magdeburg blamiert. Sein Büroleiter Joachim Wilkens räumte gegenüber der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Freitagausgabe) ein, dass die deutliche Kritik Webels am Bundesverkehrsministerium nicht gerechtfertigt war. Der Minister hatte Anfang der Woche das Ministerium in der Hauptstadt verantwortlich gemacht für die anscheinend schleppende Bearbeitung eines Fördermittel-Antrages. mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Bundeswehr SPD-Verteidigungspolitiker Arnold kritisiert freiwilligen Wehrdienst Halle (ots) - Halle. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hat angesichts der hohen Abbrecher-Quote unter den neuen freiwillig Wehrdienstleistenden scharfe Kritik geübt. "Der freiwillige Wehrdienst ist auf einen siechenden Tod angelegt", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag-Ausgabe). "Das Ganze ist schludrig gemacht. Das wird nichts." Da der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Wehrpflicht allzu eilig ausgesetzt habe, habe die mehr...

  • Saarbrücker Zeitung: Städte wollen Pfandpflicht auf Einwegverpackungen ausweiten Saarbrücken (ots) - Die Kommunen wollen offenbar die Politik dazu drängen, die Pfandpflicht auf Einwegverpackungen auszuweiten. Wie die "Saarbrücker Zeitung" (Freitag) unter Berufung auf einen Beschluss des Deutschen Städtetages (DST) berichtet, soll dadurch die zunehmende Vermüllung von Parks, öffentlichen Plätzen, Straßen und Gehwegen eingedämmt werden. Das 2003 eingeführte Pfand auf Einwegflaschen gilt für Bier-, Wasser und Erfrischungsgetränke sowie für Dosen. Nach dem Willen der Städte sollen Schlupflöcher in der Verpackungsverordnung mehr...

  • WAZ: Eppelmann: Der Mauerbau war für mich ein Segen Essen (ots) - Der frühere DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann kann dem Bau der Berliner Mauer nach 50 Jahren etwas positives abgewinnen. "Heute kann ich sagen: Für mich ist der 13. August 1961 am Ende doch ein Segen gewesen", sagte Eppelmann den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe (Freitagausgabe). Der Beginn des Mauerbaus durch die DDR habe verhindert, dass er als in Ost-Berlin wohnender junger Mann wie geplant im Westen der Stadt Architektur studieren konnte. "Ich wäre vielleicht ein leidlich guter Architekt geworden", so Eppelmann mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht