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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Euro-Krise/Merkel

Geschrieben am 17-07-2011

Regensburg (ots) - Der Sage nach entführte der in einen Stier
verwandelte Zeus die schöne Königstochter Europa. Wenn die Staats-
und Regierungschefs der EU-Länder am Donnerstag zum außerordentlichen
Krisengipfel zusammenkommen, um ein weiteres Rettungspaket für
Griechenland zu schnüren, steht ihnen der Sinn kaum nach den
mythischen Vorbildern des alten Kontinents. Es geht vielmehr um die
Zukunft Griechenlands, die Zukunft der Gemeinschaftswährung, um die
Zukunft des europäischen Hauses. Dass vor allem Angela Merkel nicht
bereit ist, entschlossen politische Führung zu zeigen, macht die
Sache nicht einfacher. Auch bei Helmut Kohl, immerhin Merkels
politischer Ziehvater, findet die Regierungschefin derzeit kein Lob.
Der 81-jährige, einzige Ehrenbürger Europas soll sich laut
Medienberichten sogar darum gesorgt haben, dass Merkel "mir mein
Europa kaputt" mache. Allerdings vergisst Kohl in seiner Sorge um
Europa, dass beim Zustandekommen der Einheits-Währung vor allem
politische Gründe im Vordergrund standen, wirtschaftliche und
finanzpolitische Aspekte wurden eher gering geschätzt. Das rächt sich
nun. Kohl, Waigel, Mitterrand, Chirac und andere Euro-Befürworter
hatten eine vertiefte politische Einigung und einen gemeinsamen
Euro-Wirtschaftsraum, ohne lästige Zoll- und Währungsschranken, im
Auge. Dass die Euro-Länder über eine höchst unterschiedliche
Wirtschaftskraft, unterschiedliche Steuer- und Finanzsysteme
verfügen, wurde geflissentlich übersehen. Für Deutschland ist es gut,
dass regelmäßig gigantische Exportüberschüsse im Vergleich zu anderen
Euro-Partnern eingefahren werden. Doch der Überschuss hier bedeutet
Defizit da. Hinzu kommen hausgemachte Probleme der Euro-Not-Länder
Irland, Portugal, Spanien, Italien. Das griechische Desaster
allerdings übertrifft alles. Was sich jetzt in einem gigantischen
Staatsdefizit darstellt, hat mit einem laxen Steuersystem,
Steuerhinterziehung im großen Stil und staatlicher Misswirtschaft zu
tun. Die Krux ist nun, dass dafür die normalen Griechen büßen sollen.
Nun muss in Brüssel der Stier endlich bei den Hörnern gepackt werden.
Eilig soll ein neues Kredit-Paket geschnürt werden. Wohlgemerkt, dem
eigentlich bankrotten Hellas werden neue Schulden als Rettung
verkauft. Ein Investitions- und Aufbauprogramm fällt den
EU-Regierungschefs nicht ein. Das wäre allerdings notwendig.
Andersfalls spart man den Patienten zu Tode. Außerdem braucht
Griechenland dringend einen vernünftigen Schulden-Schnitt. Das heißt,
die griechischen Staatsanleihen, die sich derzeit bei privaten
Gläubigern, aber auch der EZB türmen, müssen zu einem vertretbaren
Anteil als Verluste verbucht werden. Vor diesem harten Schnitt
drücken sich Banken und Staaten, weil sie einen Dominoeffekt für
andere wacklige Staatsanleihen, die Herabstufung durch
Ratingagenturen und um die Euro-Stabilität fürchten. Doch anders als
durch eine teilweise Entschuldung ist Griechenlands Finanz-Desaster
nicht beizukommen. Doch die schmerzhafte Notrettung wagen weder
Merkel noch Sarkozy, die anderen EU-Größen gleich gar nicht. Vor
allem Merkel lässt in dieser heiklen Phase Führungskraft vermissen.
Sie taumelte im vergangenen Jahr in die Griechenland-Krise regelrecht
hinein. Und zurzeit ist völlig unklar, was sie eigentlich will. Das
ist gefährlich, für den Euro, die Märkte, die Griechen und die
deutschen Steuerzahler. Obendrein macht sich selbst in CDU und vor
allem CSU und FDP eine Art gepflegte Europa-Skepsis breit. In anderen
EU-Ländern, etwa den Niederlanden, Dänemark oder Finnland, feiern
offen Europa-feindliche Parteien Triumphe. Es ist höchste Zeit zum
Gegensteuern - durch Entschlossenheit und Geschlossenheit bei der
Griechenland-Rettung erst einmal.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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