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tz München: US-Abzug aus Afghanistan: Gescheiterte Militärstrategie

Geschrieben am 23-06-2011

München (ots) - Für Sieges- oder gar Friedensfeiern gibt es weder
Grund noch Anlass. Doch immerhin hat Barack Obama einen ersten
Schritt gemacht, wenn er jetzt die ersten Soldaten vom Hindukusch
abzieht. Der US-Präsident hat erkannt: Die Militärstrategen sind
gescheitert - trotzdem geht es ihm bei seiner Abzugs-Ankündigung mehr
um Amerika als Afghanistan. Fast zehn Jahre kämpfen die Alliierten
schon in dem Land, doch die Erfolge sind angesichts der Unsummen an
Kriegskosten mehr als bescheiden: Außerhalb Kabuls regieren nach wie
vor Taliban und andere Warlords, der Schulbesuch ist für viele junge
Afghanen noch immer eine Seltenheit und ihre Eltern bauen
notgedrungen lieber Schlafmohn als Getreide an. Angesichts der
enormen Verschuldung von fast 15 Billionen US-Dollar und der akut
drohenden Staatspleite können sich die USA den täglich Millionen
verschlingenden Krieg einfach nicht mehr leisten. Nach dem Tod des
Terrorpaten Osama bin Laden, der mit den Anschlägen vom 11. September
2001 zum Inbegriff des amerikanischen Traumas wurde, fehlt dem
US-Präsidenten jetzt bei den Amerikanern die moralische
Rechtfertigung für den blutigen Einsatz - der damit Obamas Wiederwahl
im kommenden Jahr gefährdet. Um das Schicksal der einfachen Afghanen,
ihrer Kinder und Frauen ging es den tonangebenden Militärs ohnehin
nur sehr selten. Sie versuchten, die Terroristen von Taliban und
Al-Kaida wie eine Armee zu bekämpfen und verzettelten sich darin. Die
Wurzeln des fanatischen Islamismus - niedriger Bildungsstand gepaart
mit wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit - konnten so weiter wuchern.
Alliierte Bomben bringen keine Bildung. Obama verschafft sich jetzt
innenpolitisch Luft zum Atmen: Schließlich kündigte er statt einem
baldigen Komplettabzug aus Afghanistan lediglich an, das US-Kontigent
am Hindukusch auf das Niveau zu Beginn seiner Präsidentschaft
abzusenken. Trotzdem wird diese Entscheidung weltweite Folgen haben,
wie die postwendenden weiteren Rückzugsankündigungen von
Großbritannien, Frankreich und Spanien zeigen. Denn nicht die
Vernunft, sondern die pure Solidarität mit den Toten des 11.
September haben diese Länder und Deutschland 2001 mit an den
Hindukusch ziehen lassen - in einen Feldzug George W. Bushs, der vor
allem Rache statt ein politisches Konzept für das seit Jahrzehnten
von Kriegen gebeutelte Afghanistan als Motiv hatte. Die
Militärstrategie ist in weiten Teilen gescheitert. Das muss jetzt
auch die Bundesregierung eingestehen und ihren Afghanistan-Plan
erklären.

Walther Schneeweiß



Pressekontakt:
tz München
Redaktion
Telefon: 089 5306 505
politik@tz-online.de


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