(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Zwei gute Freunde

Geschrieben am 17-06-2011

Regensburg (ots) - Die schlechte Nachricht vorweg: Es gibt noch
immer einen Jaroslaw Kaczynski, der Stimmung gegen Deutschland und
die Deutschen macht, wo er nur kann. Mal erblickt er in den
Schlesiern eine Fünfte Kolonne Berlins, dann wieder warnt der
Scharfmacher vor einem deutsch-russischen Energiediktat. Und das
alles pünktlich zum 20. Jahrestag des deutsch-polnischen
Freundschaftsvertrages. Doch Kaczynskis Tiraden entbehren nicht nur
jeder Grundlage, sie verkennen auch die Rolle, die beide Länder
inzwischen in Europa spielen. Glücklicherweise - und das ist die gute
Nachricht - geht die Stimme Kaczynskis im Diskurs jener unter, die
wirklich etwas zu sagen haben. Zum Beispiel Bronislaw Komorowski. In
seiner Berliner Rede hat der polnische Präsident in bewegenden Worten
die Tragödien und die Heldentaten der deutsch-polnischen
Vergangenheit beschworen. Vor allem aber hat er das Verhältnis der
Nachbarn als Fundament für die europäische Integration beschrieben.
Und er hat recht mit dem Satz: "Das ist die Zukunft." Die Regierungen
beider Länder lassen den Worten Taten folgen. Am Dienstag werden
Kanzlerin Angela Merkel und der polnische Premier Donald Tusk ein
Programm vereinbaren, das es in sich hat. Vor allem wollen sich
Berlin und Warschau in der europäischen Finanzpolitik künftig eng
miteinander abstimmen. Das ist bemerkenswert, weil Polen (noch) nicht
zum Euro-Klub gehört. Leider, ließe sich hinzufügen. Denn Polen hat
seit Langem eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert. Die
Warschauer Haushaltspolitik ist grundsolide, um nicht zu sagen:
vorbildlich. Nicht nur deshalb wird Warschau zu einem immer
wichtigeren Partner für Berlin. Die polnische Wirtschaft, einst ein
Inbegriff des Chaos, boomt seit Jahren. Selbst die globale
Finanzkrise konnte den Aufschwung zwischen Oder und Bug nicht
stoppen. Insofern ist es auch kein Wunder, dass die seit Mai geltende
Freizügigkeit für polnische Arbeitnehmer bislang fast folgenlos
geblieben ist. Vor allem die umworbenen Fachkräfte bleiben angesichts
hervorragender Perspektiven vor Ort lieber zu Hause. Der
deutsch-polnische Freundschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 hat, wie
Komorowski in Berlin sagte, diese einzigartige Erfolgsgeschichte im
Herzen Europas erst möglich gemacht. Er beendete den Kalten Krieg ein
für alle Mal. Doch Abkommen und Absichtserklärungen sind das eine.
Das andere ist die Umsetzung im wirklichen Leben. Und da ist es schon
frappierend, wie weit Polen und Deutsche in nur zwei Jahrzehnten
gekommen sind. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die
schwierigen Fragen der Vergangenheit sind keineswegs endgültig
gelöst. Sie sind es schon deshalb nicht, weil Geschichte nun einmal
nicht per Dekret zu den Akten gelegt oder sonstwie bewältigt werden
kann. Im Gegenteil: Das Gedenken an Nazi-Schlächterei und
Vertriebenen-Leid bleibt wichtig. Aber die Historie bestimmt zwischen
Polen und Deutschen nicht länger das Handeln in der Gegenwart für die
Zukunft. Der umstrittene Besuch von Vertriebenen-Präsidentin Erika
Steinbach im ehemaligen Westpreußen lockte kürzlich in Polen kaum
noch einen Empörten hinter dem Ofen hervor. Und das gilt auch für
Kaczynskis antideutsche Sticheleien. Fast zwei Drittel seiner
Landsleute sehen in der Bundesrepublik mittlerweile ihren wichtigsten
politischen Partner weltweit. Auf der Sympathieskala setzen die
Deutschen zu regelrechten Höhenflügen an. Mit Hassattacken auf den
Nachbarn im Westen sind in Polen für Kaczynski keine Wahlen mehr zu
gewinnen. Und mit Provokationen à la Steinbach lässt sich ebenfalls
keine Stimmung mehr schüren. Schönere Nachrichten ließen sich zur
Feier des Freundschaftsvertrages kaum denken.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

338158

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Cem Özdemir hält Atomausstieg 2022 für unumkehrbar Bielefeld (ots) - Bielefeld. Der grüne Parteivorsitzende Cem Özdemir hält den schwarz-gelben Atomausstieg im Jahr 2022 für "unumkehrbar", sagte er in einem Gespräch mit der in Bielefeld erscheinenden Neuen Westfälischen (Samstagsausgabe). Auch im Fall einer Regierungsübernahme im Jahr 2013 sei der Termin nicht mehr zu ändern, denn "mit welchem Partner sollten wir ihn denn noch einmal aufknüpfen können?" Im Bundestag würden sich vier Fraktionen darauf verständigen. "Das ist eine klare Ansage", so Özdemir "die von niemandem mehr einfach mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Zwei Völker überwinden ihre Vorurteile - Leitartikel Berlin (ots) - Welch ein Wandel! Als Helmut Kohl und Jan Krzysztof Bielecki vor zwanzig Jahren den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag unterzeichneten, konnte von guter Nachbarschaft keine Rede sein. Die Deutschen blickten eher geringschätzig auf den Nachbarn im Osten herab. Die ärmlichen Polenmärkte auf jener Brache, auf der heute der neue Potsdamer Platz glänzt, symbolisierten die existenzielle Not der eigentlich doch so stolzen Polen. Es wurden dumme Sprüche gerissen und sich über gestohlene Autos mokiert, die angeblich schneller mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Badeunfall von Dessau Halle (ots) - In einem Land, in dem selbst Blaualgenbefall von Badeseen amtlich kontrolliert wird, damit ja niemand ihretwegenunter Erbrechen oder Hautreizungen leiden muss, soll die Frage nach Rettungsschwimmern nicht klar gesetzlich geregelt sein? Wohlgemerkt, wir reden nicht mehr von Übelkeit und Pusteln, sondern von Menschenleben. Dass ein Gericht sich Empfehlungen der Gesellschaft für das Badewesen zur Hand nimmt, wenn es einschätzt, ob ein Badbetreiber genug für die Sicherheit seiner Gäste getan hat, ist gut und schön. Dann mehr...

  • Rheinische Post: Symbolischer Akt Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Birgit Marschall: Mehr hat Angela Merkel nicht herausholen können: Immerhin hat jetzt auch Frankreich eingewilligt, seine Banken behutsam zu bewegen, sich nicht weiter aus Griechenland davonzustehlen. Banken und Versicherungen sollen die hochriskanten griechischen Schuldtitel "freiwillig" weiter in ihren Büchern halten und dem am Abgrund stehenden Land eine Atempause verschaffen. Das Vorbild liefert die "Wiener Initiative" von 2009, als westeuropäische Banken übereinkamen, Anleihen strauchelnder mehr...

  • FZ: Kommentar: "Das haben sie nicht verdient" / "Fuldaer Zeitung" (Samstagausgabe, 18. Juni) zum Ansehen der Politiker. Fulda (ots) - Der Reflex ist ebenso verführerisch wie menschlich: Jawoll, das haben unsere Politiker nicht besser verdient, dass ihr Ansehen in der deutschen Öffentlichkeit noch weit hinter Managern am Ende der Beliebtheitsrangliste der Berufsstände rangiert. Übrigens auf demselben Niveau, auf dem ihre Berufskollegen im dauer-skandalgeschüttelten Italien rangieren. Schließlich haben Politiker aus allen Parteien auch hierzulande in der jüngsten Zeit Steilvorlagen en masse geliefert, um ihr ohnehin schlechtes Image zu untermauern: mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht