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Südwest Presse: Leitartikel: EHEC

Geschrieben am 02-06-2011

Ulm (ots) - Entwarnung für spanische Gurken: Sie sind unschuldig
an der EHEC-Welle in Deutschland. Oder sagen wir es vorsichtiger: Auf
drei Exemplaren des grünen Gemüses wurden zwar EHEC-Bakterien
gefunden, aber nicht von dem Stamm, der insbesondere in
Norddeutschland grassiert und für schwerste Krankheitsfälle samt
Toten verantwortlich ist. Doch solange nicht die Quelle der
Infizierungen mit dem Darmkeim gefunden ist, lässt sich kein Gemüse
von keinem Ursprungsort mit Sicherheit vom Verdacht freisprechen.
Wissenschaftler sind zwar mit Hochdruck an der Arbeit. Aber sie
erinnert an die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Für Laien ist es
schwer verständlich, dass teuer bezahlte Labore und Fachleute nicht
schneller und zielsicherer arbeiten. Doch in 80 Prozent aller Fälle
wird die Quelle von Darmkeimen nie gefunden, ist deren wenig
beruhigende Erfahrung. Das bringt uns in Erinnerung, dass die
Wissenschaft und damit der Mensch die Welt nicht in der Gewalt haben.
Wir bilden uns nur ein, alles beherrschen zu können. Doch die
Schöpfung beweist uns tagtäglich das Gegenteil. Die Natur ist nicht
voll und ganz vorhersehbar. Das kann für die Betroffenen eine
Katastrophe sein, und doch ist es ein Stück weit beruhigend. Schon
weil es kein Segen sein muss, wenn der Mensch Dinge beherrscht. Noch
liefert nur die Statistik Anhaltspunkte dafür, wo die
EHEC-Infizierungen herrühren könnten: Gurken, Tomaten und Salat
stehen im Verdacht. Wie oft in solchen Fällen reagieren die Deutschen
panisch. Bei diesen Produkten ist die Nachfrage zusammengebrochen. Es
ist zu verstehen, dass die Verbraucher sie meiden, wenn schon
Wissenschaftler warnen. Aber leider hören sie nicht richtig hin und
sorgen damit erst recht für Hysterie. Gewarnt wurde vor dem Verzehr
der Produkte in Norddeutschland, weil sich dort die Erkrankungen und
Todesfälle massiv häufen. Bei vielen Bürgern hat sich dagegen im
Hinterkopf eingeprägt, sie sollten kein rohes Gemüse aus
Norddeutschland verspeisen. In ihrer Hysterie meinen schon manche,
sie dürften keine Erdbeeren oder Äpfel mehr essen. Dabei war von
denen bei Fachleuten nie die Rede. An den nervösen Reaktionen tragen
die Medien zweifellos eine Mitverantwortung. Seit Tagen berichten sie
so intensiv, dass der Eindruck entstehen muss, es handle sich um eine
gewaltige Epidemie. Krankenhäuser seien an der Belastungsgrenze. Die
Hilflosigkeit der Fachleute beim Erforschen der Ursachen verstärkt
dies noch. Tatsächlich geht es nur um die Spezialabteilungen einiger
Kliniken, und bundesweit ist von rund 2000 Infektionen und
Verdachtsfällen die Rede. Jede Grippewelle fordert in Deutschland
Tausende von Toten. Doch daran haben wir uns offenbar gewöhnt. Bis in
die Schlagzeilen schaffen sie es jedenfalls nur im Ausnahmefall.
Vieles gehört zum alltäglichen Lebensrisiko, EHEC ebenso wie die
Verkehrstoten. Die Gefahren des Verkehrs kennt jeder, und doch setzen
wir uns wieder ins Auto. Nur EHEC macht uns Sorgen. Noch wissen wir
nicht, was die EHEC-Welle ausgelöst hat. Unabhängig davon sollten wir
innehalten und über unsere Ernährungsgewohnheiten nachdenken. Längst
halten wir es für selbstverständlich, Gurken, Tomaten und anderes
Gemüse rund ums Jahr zu konsumieren und nicht nur dann, wenn
hierzulande Saison dafür ist. Sie werden mit großem Energieaufwand in
Ländern wie Spanien oder Holland produziert und nach Deutschland
gekarrt. Das ist schön für diese Länder und ihre Bauern. Aber schon
der Geschmack rechtfertigt nicht immer den Aufwand. Über die
Rückbesinnung auf heimische Produkte wird viel philosophiert. Doch
die Supermarktregale sprechen eine andere Sprache.



Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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