(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Guttenberg und den Gefahren der Eitelkeit

Geschrieben am 09-05-2011

Regensburg (ots) - Karl-Theodor zu Guttenberg bringt es in dem ihm
eigenen Duktus glänzend auf den Punkt: Seine "beklagenswerte
Eitelkeit" habe ihn neben professoraler Geduld und sanftem, aber
unerbittlichem familiären Druck dazu bewogen, seine Studien trotz
freiberuflicher und später parlamentarischer Belastung
fertigzustellen. Das schreibt der Freiherr im Vorwort zu seiner
Doktorarbeit. Die Kommission der Uni Bayreuth urteilt, dass diese
Eitelkeit Guttenberg dazu verführt hat, sich mit fremden Federn zu
schmücken. Anders gesagt: Guttenberg hat "vorsätzlich getäuscht".
Veröffentlicht werden soll der komplette Bericht morgen. Für die
Wissenschaft ist der Fall damit erledigt. Ausgestanden ist die
Guttenberg-Affäre damit aber nicht. Guttenberg wird zu Recht heftig
kritisiert. Er eignet sich perfekt als Sündenbock für alle Fehler des
politischen Systems. Doch eine Tatsache bleibt: Selbstbewusstsein, ja
sogar ein wenig Eitelkeit, sind unverzichtbare Voraussetzungen für
den beruflichen Erfolg - das erlebt jeder Besucher eines
Klassentreffens. Die Siegertypen, diese unübersehbaren Egos,
beflügeln die eigenen Karriereträume. Werden Uni-Absolventen nach
ihren Vorbildern befragt, tauchen auf den vorderen Plätzen diverser
Ranglisten die Namen der Spitzenmanager auf - obwohl diese als
arrogant verschrien sind. Um beim Beispiel Guttenberg zu bleiben: Der
Ex-Verteidigungsminister hat genau das verkörpert, was eine
Gesellschaft, die vom Wettkampf geprägt ist, erwartet. Seine
grandiosen Beliebtheitswerte rührten daher. Guttenberg räumte
"inkorrektes Setzen und Zitieren oder versäumtes Setzen von Fußnoten"
ein. Unklar ist, ob Guttenberg zugibt, dass dies bewusst geschah.
Klar ist aber, dass er von den Anforderungen einer Doktorarbeit
überfordert war. Wie sind derlei "Fehler" sonst erklärbar? Das wirft
die Frage auf, weshalb sich ein intelligenter Mensch mit eindeutig
politischen Ambitionen - also einer großen Fallhöhe - selbst so
angreifbar macht. Für den Wähler spielt der Doktortitel schließlich
eine untergeordnete Rolle, wenn er sein Kreuzchen macht. Viel spricht
dafür, dass die Eitelkeit am Werk war. Die Eitelkeit gilt als Laster.
Für manch einen ist sie sogar eine Bürde. Offensichtlich jedoch
gedeiht sie prächtig. Sie ist sogar zur heimlichen Tugend geworden.
Der Kult um das Aussehen ist allgegenwärtig. Schönheitsoperationen
sind kein Tabu mehr und im Fernsehen zappt sich die Nation durch
Castingshows. Die Selbstinszenierung steht im Mittelpunkt. Manch
einer katapultiert sich mit einem falschen Doktortitel in die Welt
der Akademiker. Wieder andere schreiben seitenweise ab, um sich den
Titel zu verschaffen. Im Deutschlandradio Kultur räumte der
Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, auf
mit der Vorstellung, Doktoranden seien von der Gier nach Wissen
getrieben. Unter den rund 20 000 Dissertationen, die jährlich
geschrieben würden, gebe es nicht wenige, "die doch letztlich nur dem
Befriedigen von individuellen Eitelkeiten dienen", sagte er. Sieger
sind beliebt. Auch wenn in der Spaßgesellschaft Wettkampf als Spiel
betrieben wird, steht am Ende der Ernstfall. Ohne eine gehörige
Portion Eitelkeit werden Führungskräfte und solche die es werden
wollen, scheitern. Einerseits. Manchmal scheint es so, als ginge es
nur um Selbstinszenierung. Aber dieser erste Eindruck täuscht.
Gründet sich die Eitelkeit eines Himmelsstürmers nicht nachweislich
auf Kompetenz, wird er tief fallen. Sein großes Ego wird ihn aber
antreiben, wieder aufzustehen. Deshalb ist auch Guttenberg ein
Comeback zuzutrauen - noch immer.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

330687

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Die Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) zur Debatte um Wiedereinführung der Wehrpflicht: Frankfurt/Oder (ots) - Auf Guttenbergs vollmundige Versicherung, dass er ein bestelltes Haus hinterlassen habe, konnten wohl nur Narren etwas geben. Fachleuten war von Anfang an klar, dass sich mit einer Freiwilligenarmee vieles machen lässt, aber ganz gewiss kein Geld sparen. Angesichts der demografischen Entwicklung ist es zudem fraglich, ob sich noch ausreichend Freiwillige finden lassen. Dass sich dann aber die leichtfertig ausgesetzte Wehrpflicht wieder einführen lässt, wie von Teilen der Union nun wieder gefordert, ist mehr mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Die Märkische Oderzeitung Frankfurt (Oder) kommentiert die deutschen Exporterfolge (Dienstagausgabe) Frankfurt/Oder (ots) - Erfolge, Erfolge Dass das Exportgeschäft brummt, obwohl der Euro recht stark ist und deutsche Kosten höher als anderswo liegen, zeigt: Wer herausragende Produkte anbietet, muss Billigkonkurrenz nicht fürchten. Das ist auch von Bedeutung, weil es zwar für einen großen Teil der Ausfuhren durch den Euro kein Wechselkursrisiko gibt, sich die Gewichte aber verschieben: Die Exporte gehen immer stärker in Schwellenländer Asiens und Lateinamerikas. Gleichzeitig aber steigen die deutschen Importe aus diesen mehr...

  • WAZ: Spiel mit dem Feuer. Kommentar von Dirk Hautkapp Essen (ots) - Die Liberalen zelebrieren ihre Machtkämpfe um die neuen Führungsfiguren in Partei, Fraktion und Kabinett wie einen Western. Dauernd kommt einer durch die Saloon-Tür geflogen, ständig schießt einer aus dem Hinterhalt. Nicht wundern, wenn sich das genervte Publikum bald ganz abwendet. Anstatt zu regieren, spielt die FDP mit sich selbst. Und das mit einer Leidenschaft und Hartnäckigkeit, die man sich bei anderen Themen gewünscht hätte: Stichwort Hotelsteuer. Gestern absorbierte die Frage, wer der neue Mannschaftsführer mehr...

  • WAZ: Krafts Problem. Kommentar von David Schraven Essen (ots) - Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat ein Problem. Ausgerechnet zwei SPD-Minister im rot-grünen Minderheitskabinett, die bisher noch nicht negativ aufgefallen waren, kämpfen nun mit einer Affäre: Justizminister Thomas Kutschaty und Innenminister Ralf Jäger. Die Fakten sind klar: Der Justizminister hat den Landtag in Sachen Parteispenden für den Unterbezirk des Innenministers lückenhaft unterrichtet. Und der Innenminister selbst muss damit leben, dass er als Aufsichtsratschef einer kommunalen Firma den Türöffner spielte mehr...

  • WAZ: Selbstbestimmt bis zuletzt. Kommentar von Wilhelm Klümper Essen (ots) - Zuletzt war Gunter Sachs allein und einsam. Sicherlich verzweifelt, aber auch mit nüchternem Kalkül hat er seinem Leben ein Ende gesetzt. Sachs hat ein glückliches, erfülltes Leben führen dürfen. Reichtum, schöne Frauen, Partys, Kunstsammler, erfolgreicher Fotograf, Filmemacher. Alles aus und vorbei, alles unwiderruflich vergangen angesichts der ersten Anzeichen von Alzheimer. Das sich abzeichnende Verwirrtsein, das Siechtum hat Sachs in seinem Abschiedsbrief als Bedrohung seiner Selbstbestimmung bezeichnet. Sachs mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht