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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Sicherungsverwahrung

Geschrieben am 04-05-2011

Bielefeld (ots) - Zehn Jahre ist es her, da äußerte Bundeskanzler
Gerhard Schröder, man solle Kinderschänder »wegsperren, für immer«.
Und wer wollte dem nicht beipflichten? Doch zwischen der populistisch
formulierten Forderung und der Wirklichkeit klaffte schon damals eine
Lücke. Bereits 1977 hatte das Bundesverfassungsgericht der
lebenslangen Haft ihren Schrecken genommen und entschieden, jeder
Häftling müsse die Aussicht auf ein Leben in Freiheit haben - ganz
gleich, was er getan hat. Seitdem gilt: Nach 15 Jahren wird bei jedem
»Lebenslangen« regelmäßig geprüft, ob er freigelassen werden kann.
34 Jahre später muss das Bundesverfassungsgericht jetzt erneut mit
dem Vorwurf leben, Täterrechte über den Schutz der Allgemeinheit zu
stellen. Man darf den Karlsruher Spruch allerdings nicht in Bausch
und Bogen kritisieren. Denn es war richtig, den seit Jahren
flickschusternden Politikern zu diktieren, wie mit
Sicherungsverwahrten umzugehen ist: Dass sich ihr Alltag
grundsätzlich von dem eines Häftlings unterscheiden muss, dass sie
ein Recht auf Therapie haben, dass ihre Sicherungsverwahrung jährlich
überprüft werden muss. Denn immerhin haben diese Menschen ihre Strafe
verbüßt, wenn sie in Sicherungsverwahrung kommen. Den Aufschrei von
Opferverbänden haben die Verfassungsrichter mit einem anderen Aspekt
ihrer Entscheidung ausgelöst: Der Zweite Senat hat die Schwelle für
den Verbleib in der Sicherungsverwahrung deutlich angehoben. Er droht
Tätern jetzt nur noch, wenn eine »hochgradige Gefahr schwerster
Gewalt- und Sexualstraftaten« besteht und der Täter an einer
psychischen Störung leidet. Damit fallen jetzt psychisch gesunde
Täter, aber auch Berufsverbrecher, die keine Sextäter oder Mörder
sind, durch das Raster. Eine überraschende Entscheidung der
Verfassungsrichter, denn noch 2006 hatten sie es abgelehnt, den Fall
eines Serieneinbrechers zu überprüfen, der seine Sicherungsverwahrung
für verfassungswidrig hielt. Es hat den Eindruck, als scheuten die
Karlsruher Richter die Konfrontation mit dem Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte, der seit Jahren das deutsche System moniert. Ein
Indiz dafür ist, dass das Bundesverfassungsgericht noch 2004 den
Standpunkt vertrat, die nachträgliche Verlängerung der
Sicherungsverwahrung sei zulässig. Davon wollen die Richter heute,
nach entsprechender Kritik aus Straßburg, nichts mehr wissen. Im
Interesse Europas mag es sinnvoll sein, Vorstellungen der Straßburger
Menschenrechtsschützer zu übernehmen und deutsche Gesetze
anzugleichen. Es wäre aber fatal, wenn sich die Verfassungsrichter
dabei immer weiter von der Mehrheit der Menschen entfernen, deren
Grundrechte sie schützen sollen. Zu diesen Rechten gehört eben auch
das Recht auf körperliche Unversehrtheit - und damit der Schutz vor
Straftätern. Und der ist gestern erheblich geschwächt worden.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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