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tz München: War sie die mächtigste Frau im Vatikan?

Geschrieben am 20-04-2011

München (ots) - Er ist einer der umstrittendsten Päpste der
Geschichte - und sie die Frau, die am meisten Einfluss auf ihn hatte:
Schwester Pascalina (1894 bis 1983) war fast 40 Jahre lang
Privatsekretärin von Pius XII. Sie begleitete ihn bis zu seinem Tod
1958 und hatte so viel Macht wie keine andere Frau im Vatikan. Die
ARD zeigt Pascalinas Lebensgeschichte: Christine Neubauer spielt
Gottes mächtige Dienerin. Am Mittwoch nahm Neubauer in Rom an der
Audienz des Papstes teil, um Benedikt XVI. eine DVD mit dem Film zu
schenken. "Es war überwältigend", sagt die 48-Jährige der tz . "Ich
habe dem Papst Grüße aus der bayerischen Heimat überbracht." Benedikt
XVI. kannte Pascalina sogar persönlich.

Was kaum einer weiß: Josefine Lehnert, wie Pascalina bürgerlich
hieß, stammt aus Oberbayern - und zwar aus Ebersberg. Historikerin
Dr. Martha Schad, deren Buch Gottes mächtige Dienerin (Herbig-Verlag)
als Grundlage für den Spielfilm diente, hat jahrelang über die Nonne
geforscht. Der tz erzählte sie mehr über den Mythos Pascalina. Von
wegen große Welt: München statt Afrika Schon mit 19 Jahren drängte es
Josefine Lehnert, von der Familie liebevoll "Finele" genannt, ins
Kloster Altötting. "Sie wollte in die Welt hinaus, in die Mission",
weiß Schad. Doch der Erste Weltkrieg durchkreuzte die Pläne.
Schwester Pascalina wurde nicht nach Afrika, sondern nach München
geschickt: Sie sollte für zwei Monate als Haushälterin beim Nuntius,
dem päpstlichen Botschafter, aushelfen - dem späteren Papst Pius XII.
"Aus ein paar Wochen wurden fast 40 Jahre", sagt Schad. Denn Nuntius
Eugenio Pacelli schätzte die Arbeit der fleißigen Schwester, übertrug
ihr mehr und mehr Aufgaben. Sie folgte ihm sogar nach Rom, als er
1930 als Kardinalstaatssekretär begann. "Gern und doch voll Bangen
reiste ich ab, verstand kein Wort Italienisch", schrieb Pascalina in
ihren Memoiren Ich durfte ihm dienen. Selbst nachdem Pacelli 1939 zum
Papst gewählt wurde, wollte er Pascalina an seiner Seite behalten.
Sie war eine Ausnahme: Von den rund 1000 Personen im Vatikan waren
nur etwa 300 weiblich, die meisten davon Familienangehörige von
Beamten oder Hausgehilfinnen. Es gab nur 22 Ordensschwestern.
Streng, diskret, Respekt einflößend: Schwester Pascalina eckt an
Ausgerechnet eine Frau zog Papst Pius XII. ins Vertrauen. Pascalina
durfte sich als einzige frei in seinen Räumen bewegen. Sie managte
das Hauspersonal, inklusive Kammerdiener und Chauffeur, plante
Audienzen, erledigte Post. Die Gesundheit des Heiligen Vaters ging
über alles. Nahm sie an einer der Frühmessen in St. Peter teil,
wussten alle, dass der Papst zu angeschlagen war, um eine Messe in
der Privatkapelle zu zelebrieren. Energisch, gescheit, diskret - dank
ihres Wesens  konnte sich die "Madre" in der Männerwelt behaupten.
Nicht jeder kam damit zurecht, es gab Streitereien, etwa mit anderen
Schwestern. "Ich will mir Mühe geben, verständnisvoller,
nachsichtiger und liebevoller zu sein, dann geht es gewiss",
versprach Pascalina. So machtvoll sie war - die Schwester hielt sich
im Hintergrund. "Es gibt kein Bild, das sie mit dem Papst zeigt",
weiß Schad. Ausgenommen eine Aufnahme: Die  Ordensfrau kniet 1958 am
Sterbebett Pius XII.

Logistikgenie Pascalina: Hilfe für die Kriegsopfer Papst Pius XII.
und seine Rolle im Dritten Reich - sie wird heute noch heftig
diskutiert. Hätte er sich stärker einmischen müssen? "Schwester
Pascalina hätte über die Geschehnisse im Vatikan aus der Zeit des
Zweiten Weltkrieges viel zu berichten gewusst", so Schad. Es sei
nachweisbar, dass Tausenden von Juden zur Ausreise nach Übersee
geholfen werden konnte. Pascalina notierte: "Der Heilige Vater, der
um das Ansehen und der Ehre der Kirche willen vieles öffentlich tun
musste, was sonst sicher in der Stille geschehen wäre, war immer
glücklich, wenn er im Verborgenen und ohne es an die große Glocke
hängen zu müssen, Gutes tun konnte." Sie selbst half, wo es nur ging.
Sie schaffte für die Römer Hilfsgüter an, später schickte sie Lkw-
und Zugladungen ins Ausland, nach dem Zweiten Weltkrieg auch nach
Deutschland. "Sie war ein Logistikgenie", schwärmt Schad. Für ihren
Einsatz bekam Pascalina unter anderem 1980 den bayerischen
Verdienstorden von Ministerpräsident Franz Josef Strauß. Drei Jahre
später starb Pascalina. Sie saß bereits in einem Flugzeug, das sie
von Wien nach Rom bringen sollte. Sie hatte mehrere Gedenkfeiern zum
25. Todestag von Pius XII. besucht. Kurz vor dem Abflug erlitt sie
einen Schlaganfall. In einem Nachruf der Time hieß es: "Madre
Pascalina Lehnert, 89, die strenge deutsche Nonne (...), wurde auch
des Papstes Schutzengel genannt."

Eva Hutter



Pressekontakt:
tz München
Redaktion
Telefon: 089 5306 505
politik@tz-online.de


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