(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Gefährliche Distanz Leitartikel zur Islam-Debatte

Geschrieben am 12-04-2011

Regensburg (ots) - Es ist bedauerlich, dass eine Veranstaltung wie
das "Regensburger Gespräch zur Religion in der Gesellschaft" von der
Debatte über die Integration der Muslime in Deutschland dominiert
wird. Schließlich hat Religion, hat Glaube in vielen
gesellschaftlichen Fragen eine immer noch große Bedeutung -
vielleicht sogar eine zunehmende. Dennoch ist die drängendste Frage,
vor der Deutschland in den kommenden Jahren steht, die des
Verhältnisses zum Islam. Die unsägliche Sarrazin-Debatte hat besser
als alles andere gezeigt, wie groß die Vorurteile in unserer
Gesellschaft nach wie vor sind. Kein Wunder also, wenn viele Muslime
in Deutschland nicht gut auf den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter
Friedrich zu sprechen sind. Wer sich nach dem Auftritt des
CSU-Ministers beim Regensburger Gespräch unter den Muslimen umhörte,
bekam wenig Gutes zu hören. Der Groll nach den Äußerungen, der Islam
gehöre nicht zu Deutschland, und dem Werben um eine
Sicherheitspartnerschaft von Muslimen mit deutschen
Sicherheitsbehörden sitzt tief. Es gibt offenbar bereits Überlegungen
seitens der muslimischen Verbände, bei der Bundeskanzlerin und beim
Bundespräsidenten darum zu bitten, die Islamkonferenz - das Herzstück
der offiziellen Integrationsbemühungen - in andere Hände als die
Friedrichs zu legen, sollte der weiterhin mit provokanten Aussagen
Schlagzeilen machen. Zu sehr fühlen sich die Teilnehmer ausgrenzt
durch die Betonung "christlich-abendländischer Werte" seitens des
Innenministers und seiner Partei. "Schäuble hat uns anders
behandelt", sagt einer. Das ist sicher richtig, denn Schäuble ist
zwar Unionspolitiker, aber kein CSU-Mann wie Friedrich. Der "Neue" im
Innenministerium hat gleich zum Start Duftmarken gesetzt, die der
Linie seiner Partei entsprechen: Klares Bekenntnis zu besagter
christlich-abendländischen Kultur, harte Hand gegenüber unerwünschter
Zuwanderung. Friedrich hat schnell klar gemacht, was er will und
wofür er steht. Im Interesse seines eigenen Profils ist das allemal.
In dem seiner Partei sowieso. Für die CSU ist es wichtig, vielleicht
sogar überlebenswichtig geworden, klare Kante zu zeigen. Deutschland
rückt nach links und in Zeiten, in denen die Abkehr von der Atomkraft
plötzlich auch Markenkern der CSU ist, tut ein klar wertkonservatives
Bekenntnis der konservativen Seele gut. Ob die an der Wahlurne dann
den Ausschlag geben wird, muss sich erst noch zeigen. Nur: Angesichts
drängender gesellschaftspolitischer Fragen wie demografischer Wandel
oder Fachkräftemangel einen alten Konflikt - den um das Verhältnis
zum Islam - neu zu schüren, ist brandgefährlich. Ein Scheitern der
Islamkonferenz würde ein fatales Zeichen senden: dass unsere
Gesellschaft kulturelle und religiöse Gräben in letzter Instanz eben
doch nicht überwinden kann. Zwar steht die Islamkonferenz noch nicht
wirklich auf der Kippe. Und die Teilnehmer wären auch gut beraten, es
gar nicht so weit kommen zu lassen. Die muslimischen Verbände sind
hier ebenso gefordert wie der Innenminister als Leiter der Konferenz.
Friedrich hat gestern zumindest versucht, der Debatte ihre überhitze
Emotionalität zu nehmen, indem er vermied, seine umstrittenen
Aussagen zu wiederholen. Das ist ein wichtiges Zeichen. Die Distanz
zwischen dem CSU-Mann und den muslimischen Vertretern ist aber
dadurch kaum kleiner geworden, weil das Misstrauen in die Beziehungen
Einzug gehalten hat. Es abzubauen muss für Friedrich dringlichste
Aufgabe der kommenden Monate sein.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

326270

weitere Artikel:
  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Erhöhung der Kraftstoffpreise Land der Wut-Tanker SANDRA SPIEKER Bielefeld (ots) - Er schmerzt, und zwar jedes Mal mehr: der Blick zur Anzeigetafel an der Tankstelle um die Ecke. Vielfahrer können das Geld gar nicht so schnell verdienen, wie sie es an den Zapfsäulen wieder ausgeben - müssen. Und besonders ihnen tut es weh. Der zuvor akribisch ausgerechnete Preisvorteil für ihre Diesel-Fahrzeuge ist so gut wie dahin. Alle schimpfen, aber keiner tut etwas dagegen, so scheint es zumindest. Es wird weiter getankt, was das Zeug hält, dabei vielleicht mal ein Umweg zur anderen - vermeintlich günstigeren mehr...

  • Südwest Presse: Kommentar:Datenschutz Ulm (ots) - Schlechtes Zeugnis Die Volkszählung steht vor der Tür. War das noch eine Aufregung vor Jahrzehnten, Bürgerinitiativen liefen damals gegen die Staatsinventur Sturm. Weil selbst das Bundesverfassungsgericht Bedenken hatte und den Zensus erst einmal stoppte, verzögerte sich die Datenerhebung um sechs Jahre. 1987 endlich durfte das Volk gezählt werden. Heute ist die Lage entspannter, aber keineswegs problemfrei. Das Bewusstsein der Bürger für den Datenschutz ist seither gewachsen, zum Glück auch das Arsenal gesetzlicher mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Störung der Friedhofsruhe Kommentar zu Weißrussland Regensburg (ots) - Bei Lichte betrachtet möchte man lieber nicht Chefermittler im Dienste von Lukaschenko sein. "Männer", tönt der Diktator, "bringt mir die Mörder, aber hurtig!" Was bleibt einem armen Staatsanwalt oder KGB-Agenten anderes übrig, als schnell einen oder besser gleich mehrere Täter zu präsentieren? Im Ernst: Ob die Verdächtigen, die Lukaschenkos Erfüllungsgehilfen als mutmaßliche Drahtzieher des Anschlags in Minsk ins Visier genommen haben, etwas mit dem Terrorakt zu tun haben, ist offen. Klar ist dagegen, dass der mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Datenschutz Mehr Unabhängigkeit WOLFGANG MULKE, BERLIN Bielefeld (ots) - Die Datenschützer des Bundes und der Länder haben einen schweren Stand. Die Aufgabenfülle nimmt mit der Technisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu, die personelle Ausstattung der Behörden hält da nicht Schritt. Wer andere ausspionieren oder kontrollieren will, hat es dagegen immer leichter. Vor allem mangelt es dem Chef der Bundesbehörde, Peter Schaar, an politischer Rückendeckung. Gerade die aktuelle Bundesregierung gibt sich wenig Mühe beim Datenschutz. Viel wurde versprochen, nichts gehalten. Auf dem Feld mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar NRW-CDU bietet Gespräche über Schulfrieden an Über den Schatten springen PETER JANSEN, DÜSSELDORF Bielefeld (ots) - Die Vorstellung, in der Schulpolitik würde nicht mehr darüber gestritten, ob die Kinder nach der Grundschule eine Haupt-, Real-, Gesamt-, Gemeinschaftsschule oder ein Gymnasium besuchen, ist zu verlockend, als dass sie jetzt im Parteienstreit untergehen dürfte. Deshalb sollten sich SPD, Grüne und FDP auf das Angebot der CDU einlassen und ernsthaft prüfen, ob man sich auf eine dauerhafte Schulstruktur verständigen kann, die nicht beim nächsten Regierungswechsel wieder in Frage gestellt wird. Für einen wirklichen Schulfrieden mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht