(Registrieren)

HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Flüchtlingen aus Nordafrika

Geschrieben am 11-04-2011

Hamburg (ots) - Ein Kommentar von Roman Heflik

Die Debatte darüber, welches Land Nordafrikas Flüchtlinge
aufnehmen soll, sollte mit nüchternen Zahlen anfangen: Seit den
Umbrüchen in Nordafrika sind auf der italienischen Mittelmeerinsel
Lampedusa etwa 26?000 Flüchtlinge gestrandet. Für das winzige Eiland
mit seinen rund 4500 Einwohnern stellt das ein gewaltiges Problem
dar. Doch die bedrückende Enge, die auf Lampedusa herrschen mag,
verzerrt die Dimensionen des Problems. Im vergangenen Jahr musste das
Industrieland Italien gerade mal 8000 Flüchtlinge aufnehmen - die
Zahl der Asylbewerber in Deutschland lag im gleichen Zeitraum bei
41?000. Zudem handelt es sich bei den Flüchtlingen größtenteils um
Tunesier, die Jobs in Europa suchen. Wirtschaftsmigranten aber haben
keinen Anspruch auf Asyl und könnten bald wieder abgeschoben werden.
Die Vermutung liegt nahe, dass europäische, insbesondere italienische
Warnungen vor einem "Dammbruch" durch den "menschlichen Tsunami" eher
medialer Neigung zu Superlativen und politisch motivierter Panikmache
geschuldet sind. Die konservative Regierung Berlusconi hat jedenfalls
ein Interesse daran, das Flüchtlingsproblem schnell abzuwälzen. So
verkündete Innenminister Maroni, bei den Boat?people handele es sich
um ein europäisches Problem - und das, bevor die ersten Schiffe in
Italien angekommen waren. Nun hat Italien - wütend darüber, dass die
EU die Angelegenheit als eine italienische ansieht - angekündigt, den
Flüchtlingen Visa auszustellen, mit denen sie 90 Tage lang frei in
Schengen-Staaten wie Deutschland ein- und ausreisen dürfen - eine
Einladung zum Untertauchen. Damit beschädigt das Land die EU gleich
mehrfach. Denn im Dublin-II-Abkommen haben sich die Mitgliedstaaten
darauf geeinigt, dass sich um Flüchtlinge deren Ankunftsländer
kümmern. Zugleich fügt Italien dem Gedanken von Schengen Schaden zu,
also der Idee, dass Grenzen überflüssig werden, wenn Länder in
Rechtsfragen eng zusammenarbeiten. Schlagbäume abzumontieren
erfordert jedoch Vertrauen - Vertrauen, das Italien zugunsten seiner
Innenpolitik gerade verspielt. Dennoch trifft auch die EU eine
Mitschuld. Seit Jahren vertrödelt sie es, eine tragfähige gemeinsame
Asylpolitik zu installieren. Feste Regeln aber, welches Land wann wie
viele Flüchtlinge aufzunehmen hat, sind nötig, damit Europa auch in
Krisen zusammenhält. Schlagbäume sollten in der EU da bleiben, wo sie
hingehören: im Museum.



Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

326014

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Die Märkische Oderzeitung kommentiert das französische Burka-Verbot (Dienstagausgabe) Frankfurt/Oder (ots) - Sarkozys Kulturkampf gegen den Schleier Das Verschleierungsverbot in seinem Land gerade einmal 2000 Frauen, von denen immerhin ein Drittel Konvertiten sind. Daneben gibt es muslimische Frauen, die den Tschador in ihrem Alltag aus freier Überzeugung tragen. Was will man denen vorschreiben, wenn sie nicht gerade in Staatsdiensten tätig sind? Mit der Europäischen Menschrechtskonvention ist ein Verbot wohl kaum zu vereinbaren. Zu diesem Schluss kommt zumindest ein dänisches Gutachten. Und jene Frauen, die sich mehr...

  • Ostsee-Zeitung: OSTSEE-ZEITUNG Rostock zur Energiewende Rostock (ots) - Fest steht: Der Umbau kostet viel Geld. Deshalb geht es beim Streit um das endgültigen Ausstiegsdatum auch darum, auf wie viele Jahre diese Kosten verteilt werden. Sicherheitstechnisch mag es gute Gründe für das beschleunigte Ende des Atomzeitalters geben. Und langfristig dürften sich die Investitionen durchaus auszahlen. Aber zunächst müssen diese Mittel aufgebracht werden. Die Stromkonzerne sind dabei fein raus. Weniger Atomkraft bedeutet weniger Brennelementesteuer und weniger Einzahlungen in den Fonds für erneuerbare mehr...

  • Ostsee-Zeitung: OSTSEE-ZEITUNG Rostock zur Flüchtlingspolitik Rostock (ots) - Die europäische Flüchtlingspolitik fällt gerade zusammen wie eine Sandburg im Wind. Vor allem aus Tunesien, das seinen Diktator abschüttelte, wagten 23 000 Menschen die lebensgefährliche Flucht auf die italienische Insel Lampedusa. Verdient daran haben vor allem Menschenhändler. Aber nicht nur die Bilder und der Umgang mit den Flüchtlingen sind beschämend, der politische Streit um sie innerhalb der EU ist es auch. Pressekontakt: Ostsee-Zeitung Thomas Pult Telefon: +49 (0381) 365-439 thomas.pult@ostsee-zeitung.de mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Mehr Plan statt mehr Geld Kommentar zum Elterngeld Regensburg (ots) - Das Geld fehlt also, um das Elterngeld auszubauen. Deshalb stellt Familienministerin Kristina Schröder deren Weiterentwicklung unter Finanzierungsvorbehalt. Ein Fehler. Möchte man das Elterngeld sinnvoll umstrukturieren, ist nicht unbedingt mehr Geld vonnöten. Denn: Mehr Gleichstellung von Mann und Frau bei der Kindererziehung - und das war unter anderem Ziel des ursprünglich geplanten "Ausbaus" des Elterngelds -, könnte man auch durch mehr Flexibilität innerhalb der bestehenden Elterngeld-Regelung erreichen. 14 mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Eine Chance für Guido Westerwelle - Leitartikel Berlin (ots) - Immer wenn es ernst wird, reagiert die EU wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen. Weniger tierisch ausgedrückt soll dann plötzlich nicht mehr gelten, was in besseren Zeiten beschlossen wurde. Wie bei der Verschuldungskrise, die nach dem Maastricht-Vertrag von den betroffenen Ländern allein ohne Euro-Transfers zu lösen gewesen wäre. Oder wie jetzt beim Umgang mit den Flüchtlingen aus Nordafrika. Die schwere Verstimmung, die Italien mit seiner Reaktion auf die auf Lampedusa anlandenden Boatpeople ausgelöst hat, zeugt einmal mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht