(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Kommentar zu neuen deutschen Unzuverlässigkeit

Geschrieben am 26-03-2011

Berlin (ots) - Das Euro-Rettungspaket, die Enthaltung bei der
UN-Resolution zu Libyen, die einsame Kehrtwende in der Atompolitik -
die europäischen Partner reiben sich die Augen über Deutschland. Es
ist eine Mischung aus Staunen, Verständnis, Verunsicherung und
Verärgerung. Wohin will Deutschland? Die Frage ist berechtigt. Seit
Beginn der Euro-Krise vor knapp einem Jahr verändert sich die
deutsche Politik in Europa, es zeichnen sich substanzielle
Verschiebungen ab, deren Ende noch unklar ist und die sich nicht auf
Wahlkampfpolitik reduzieren lassen. Die deutsche Kanzlerin setzt
stärker als ihre Vorgänger auf eine Politik, die die nationalen
Interessen Deutschlands in den Vordergrund rückt. Das irritiert die
Partner. Im Prinzip ist es richtig, dass Merkel mehr Eigenständigkeit
nach außen riskiert, das ist auch ein historischer
Emanzipationsprozess. Nur: Die Ergebnisse dieser neuen Politik sind
bisher schlecht - aus deutscher und aus europäischer Sicht.
Unzuverlässigkeit und Unberechenbarkeit, taktische Fehler, aber
teilweise auch Konzeptionslosigkeit prägten die Politik der
Bundesregierung. So hat der plötzliche Entschluss Berlins, ältere
Kernkraftwerke vorläufig abzustellen, Frankreich, Großbritannien und
zahlreiche andere EU-Länder kalt erwischt - nur die Rasanz der
Weltereignisse hat ihren Zorn gezügelt. Dagegen haben Merkels
Pirouetten in der Euro-Krise die Partnerländer letztlich versöhnt -
sie haben aber Zweifel daran aufkommen lassen, ob die Kanzlerin so
genau weiß, was Standhaftigkeit bedeutet und wo die deutschen
Interessen liegen. Erst verteufelte sie eine "Wirtschaftsregierung",
dann war sie plötzlich dafür und legte sogar einen eigenen Plan vor.
Berlin war zunächst auch gegen Hilfen für den chronischen
Schuldensünder Griechenland - dann ging es doch. Auch einen
Dauerrettungstropf für Länder, die selbstverschuldet in die Pleite
rutschen, wollte Merkel nicht - sie revidierte auch diese Position
und machte sich zur Anwältin eines permanenten Krisenmechanismus
(ESM). Der neue Haftungsschirm kann möglicherweise Spekulationen
eindämmen, aber er steckt auch voller Risiken. Er ist praktisch
unlimitiert. Wie konnte Merkel diesem Paket nur zustimmen? Liegt das
deutsche Interesse mal hier, mal da? Die Europäer wundern sich über
ihre Kehrtwenden, aber sie sind zufrieden, die "europäische
Solidarität" ist gestärkt. Anders als beim Euro hat Berlin die
wichtigsten Bündnispartner in der Libyen-Frage nicht nur irritiert,
sondern massiv verärgert. Nicht nur die Enthaltung im
UN-Sicherheitsrat über die Einrichtung einer Flugverbotszone, sondern
auch die anhaltenden öffentlichen Belehrungen, die Besserwisserei von
Politikern wie Kauder, Westerwelle und Niebel haben vor allem Paris
und London tief verbittert. Die Beziehungen zu Frankreich haben einen
neuen Gefrierpunkt erreicht. Dabei ist der Flurschaden weitaus
größer, als es aus Berliner Sicht den Anschein hat. Das wäre alles zu
verkraften, wenn diese Enthaltung im deutschen Interesse wäre. Aber
das ist sie nicht. Deutschland kann nicht zulassen, dass ein irrer
Diktator direkt vor der europäischen Haustür rumwütet, die
Menschenrechte verletzt und deutsche Stabilitäts- und
Wirtschaftsinteressen gefährdet.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

323158

weitere Artikel:
  • Der Tagesspiegel: Shell fordert Kartellamt zu unvoreingenommener Prüfung auf - "Hoffentlich kein Generalverdacht" Berlin (ots) - Der Mineralölkonzern Shell hat das Bundeskartellamt zu einer unvoreingenommen Überprüfung der Branche aufgefordert. "Ich kann nur hoffen, dass es nicht so ausgeht wie bei den Stromkonzernen, wo nichts gefunden, aber trotzdem ein Generalverdacht formuliert wurde", sagte Shell-Deutschlandchef Peter Blauwhoff dem Tagesspiegel (Montagausgabe) in einem Interview. "In unserer Branche herrscht intensiver Wettbewerb." Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf habe das im vergangenen Jahr festgestellt, und das Kartellamt habe Shell mehr...

  • NRZ: Nichts ist mehr, wie es war - Kommentar zur Wahl Von Rüdiger Oppers Essen (ots) - Was in Baden-Württemberg an der Wahlurne geschehen ist, war mehr als eine Ländle-Wahl; es war ein Umsturz. Seit dem Krieg war das vielgerühmte Musterland die sprichwörtliche Hochburg der CDU. Ein perfektes Pendant zur Alpenfestung der CSU in Bayern und der Gegenpol zum "roten" NRW. Nun ist nichts mehr, wie es war. Der grün-rote Sieg hat Bewegung in die fest gefügte politische Architektur der Republik gebracht: das rot-grüne Projekt feiert ein Comeback - allerdings unter veränderten Vorzeichen. Erstmals wird die Republik mehr...

  • Neues Deutschland: zu den Landtagswahlen Berlin (ots) - Zwar zögert man angesichts der Ereignisse in Japan, von einem Erdbeben zu sprechen. Doch ein politischer Erdrutsch ist es schon, der sich in Baden-Württemberg abgespielt hat. Und der hat wahrscheinlich mit Japan zu tun. Die 58-jährige Regierungszeit der CDU endet wohl - auch, weil ihr Lavieren in der Atomdebatte nicht glaubwürdig und das von Stefan Mappus besonders hilflos wirkte und weil das Vertrauen in die Landesregierung schon dank Stuttgart 21 erschüttert war. Die Grünen stehen nun womöglich davor, erstmals mehr...

  • Ostsee-Zeitung: Landtagswahlen/Baden-Württemberg/Rheinland-Pfalz/Koalition/FDP/Grüne Rostock (ots) - Die vom Richtungsschwenk der Kanzlerin in der Atompolitik verunsicherten Christdemokraten haben zwar die Macht verloren, aber immerhin ist es nicht zu einem Desaster gekommen.Innerhalb des bürgerlichen Lagers sind die Westerwelle-Liberalen die eigentlichen Verlierer. Sie haben nicht geliefert. Westerwelles Stuhl als Parteichef ist wackliger als jemals zuvor. Der Richtungsstreit in der FDP tobt hinter den Kulissen bereits. Die Frage ist, ob die Partei ihren erfolglosen Vorsitzenden schon vor oder erst auf dem Parteitag mehr...

  • Westdeutsche Zeitung: Landtagswahlen = von Martin Vogler Düsseldorf (ots) - Es gibt zwei klare Sieger: Die Demokratie - weil rund zwei Drittel der Bürger ihr Wahlrecht nutzten und dabei die extreme Linke draußen ließen. Der alles überstrahlende Sieg gehört jedoch den Grünen. Deren Prozentwerte explodierten, sie werden in beiden Bundesländern in der Regierung sitzen. Das ist nur teilweise dadurch zu erklären, dass die einstigen Alternativ-Ökos selbst für sehr etablierte Kreise wählbar geworden sind. Vor allem haben die Grünen ihren extremen Aufschwung der atomaren Katastrophe in Japan zu mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht