Mittelbayerische Zeitung: Stoppt die Geisterfahrt
Leitartikel zum Benzingipfel
Geschrieben am 08-03-2011 |
Regensburg (ots) - Was bringt ein Benzingipfel, dessen mageres
Ergebnis bereits vorher feststand? Den Narren am Höhepunkt des
Karnevals Anregungen für neue Kalauer, den Chauffeuren der
beteiligten Minister und Manager einen unlustigen
Faschingsdienstagsumzug durch die Hauptstadt und der Umwelt jede
Menge CO2, das von den Dienstlimousinen in die Luft gepustet wurde.
Denn was die Runde um Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und
Umweltminister Norbert Röttgen gestern beschlossen hat, hätte man
auch vor zwei Jahren schon haben können. Der Riesenflop des Sprits E
10 ist hausgemacht. Als Röttgens Amtsvorgänger Sigmar Gabriel im
April 2008 die Einführung des neuen Benzins vor allem aufgrund einer
Kampagne des ADAC stoppte, hätte allen Beteiligten klar sein müssen,
dass man den umstrittenen Kraftstoff nicht einfach über Nacht
verkaufen kann, ohne die Verbraucher vorher umfassend aufzuklären.
Bei kaum einem anderen Thema verstehen die Deutschen weniger Spaß als
bei ihrem Auto. Ihr Streik an den Zapfsäulen ist nur zu verständlich:
Allein der Verdacht, dass die neue Spritsorte ihren Wagen
kaputtmachen könnte, trieb sie zum Boykott. Und damit haben die
Bürger völlig Recht. Bei der verzapften Einführung von E 10 waren
viele Dilettanten am Werk - nicht nur auf Seiten der Politik. Warum
geben die Autohersteller keine verbindliche Garantie, falls der Motor
vorzeitig kaputtgeht? Informationen über die E-10-Verträglichkeit
muss man teilweise umständlich im Internet suchen und manchmal findet
man nur Auflistungen, welche Autos garantiert keinen Öko-Sprit
vertragen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Warum bringt man die
Tankstellenbetreiber überhaupt in die Bredouille, völlig
verunsicherte Autofahrer darüber aufzuklären, was E 10 überhaupt ist?
Üblicherweise bewirbt die Mineralölindustrie neue Produkte mit großem
Aufwand. Bei E 10 beschränkte sich das Marketing aber darauf, das
neue Benzin ein paar Cent billiger anzubieten. Und warum kommt der
ADAC erst jetzt auf die glorreiche Idee, ein Auto einem Dauertest mit
dem Öko-Sprit zu unterziehen? Hätte man den Versuch schon vor zwei
Jahren gestartet, wären wir jetzt alle klüger. Doch spätestens die
Warnung eines BMW-Ingenieurs am Wochenende, der Bio-Sprit könne alle
Motoren schädigen, müsste der Todesstoß für E 10 sein. Auch wenn die
Autohersteller jetzt unisono das Gegenteil versichern: Das Vertrauen
ist dahin. Unabhängig vom Benzin-Wirrwarr sind Zweifel am Sinn von E
10 angebracht. Denn nicht überall wo Bio draufsteht, ist Öko drin.
Klimaschutz wird zum zynischen Luxus, wenn auf dem Acker anstelle von
Lebensmitteln Sprit produziert wird. Getreide gehört auf den Teller,
nicht in den Tank. Außerdem ist E 10 ein Schutzbrief der Regierung
für die herkömmlichen Verbrennungsmotoren, die schon in wenigen
Jahren ein noch größere Ladenhüter sein könnten als der Bio-Sprit.
Angesichts von Erdölpreisen, die nur noch die Richtung nach oben
kennen, brauchen wir sparsamere Autos, besseren öffentlichen Verkehr
und alternative Antriebe. Wesentlich überzeugender als die ferne
Elektromobilität wären Erdgas- und Autogasfahrzeuge. Hier ist die
Technik ausgereift, die langfristige Versorgung ist sicherer und sie
stoßen wenig CO2 aus. Der Umweltminister wurde vom E-10-Debakel
überrollt. Der Informations-GAU geht auch auf seine Kappe, weil er es
versäumte, der Industrie klare Vorgaben zu machen. Zudem blockiert
Röttgen eine echte grüne Verkehrswende. Auf dem Benzingipfel
verpasste er die letzte Ausfahrt, um die Öko-Geisterfahrt zu
unterbrechen. Jetzt sind wieder die Autofahrer am Zug. Mit einer
Abstimmung an den Zapfpistolen können sie den Minister auf den
Pannenstreifen winken.
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Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
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