(Registrieren)

Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Facebook und die Politik Funkenflug CARSTEN HEIL

Geschrieben am 04-03-2011

Bielefeld (ots) - Es tut sich was: Weltweit verändert sich die
politische Debattenkultur. Hat das Internet die Wirtschaft seit Mitte
der 90er Jahre radikal verändert und noch stärker
internationalisiert, sieht sich jetzt zunehmend die etablierte
Politik dem Netz ausgesetzt, fast ausgeliefert. Sicher, seit etlichen
Jahren dient das Internet schon als Informationsquelle über Politik.
Doch als Instrument zur konkreten Aktivierung von Menschen wird das
Netz erst seit kurzem benutzt - über soziale Gemeinschaften (Social
Communities) wie Facebook und Twitter. Dieser Prozess hat sich in den
vergangenen sieben Monaten so rasant beschleunigt, dass es noch keine
wissenschaftlichen Untersuchungen darüber gibt. Aktuelles Beispiel
ist der Fall Karl-Theodor zu Guttenberg. Zuerst hatten sich
Heerscharen von Wissenschaftlern über dessen Doktorarbeit hergemacht
und mit Hilfe des Netzes (Schwarmintelligenz) in kürzester Zeit viele
Plagiats-Stellen gefunden. Ein Forscher allein hätte Wochen dafür
benötigt. Jetzt versuchen Hunderttausende in einer Art Gegenbewegung,
den zurückgetretenen Verteidigungsminister wieder in ein Amt zu
hieven und rufen per Internet zu Demonstrationen für den Freiherrn
auf. Schon die Demonstranten gegen den Bau des Stuttgarter
Hauptbahnhofes verabredeten sich über das Internet. Das Netz hat sie
kampagnenfähig gemacht. Nur so gelang es ihnen in wenigen Wochen,
einen auf demokratisch-rechtsstaatlichem Wege über Jahre entstandenen
Beschluss ins Wanken zu bringen. Die tiefgreifendsten Folgen der
sozialen Netzwerke erlebt derzeit der Nahe Osten. Die Umbrüche in
Ägypten und Tunesien wären in dieser Intensität und Schnelligkeit
ohne Twitter und Facebook nicht denkbar. Das Internet als Werkzeug,
Despoten von der Macht zu vertreiben. Zu recht haben die chinesischen
Machthaber vor nichts so viel Angst wie vor dem Internet. Deshalb
sind im Reich der Mitte Tausende von Seiten zensiert. Noch haben die
roten Mandarine den Unmut unter Kontrolle. Ist das Netz also ein
willkommenes Hilfsmittel für die Demokratie, gar für
Graswurzel-Demokratie und Bürgerbeteiligung? Unterschriftensammlung
leicht gemacht? So einfach ist es nicht. Leicht sind die Prozesse im
Netz zu manipulieren. Es ist möglich, dass politische Akteure wie die
Junge Union, die Facebook-Kampagne zu Gunsten Guttenbergs
organisieren. Was durchaus legitim wäre in der politischen
Auseinandersetzung. Nach wie vor sind im Netz eher die gebildeten und
besser verdienenden Menschen unterwegs. Von einer breiten
Demokratisierung kann entsprechend keine Rede sein. Doch das sieht in
der Wirklichkeit nicht viel anders aus. Schließlich ist nachzuweisen,
dass der Klick im Netz durch Erscheinen bei den heute in vielen
Städten Deutschlands geplanten Pro-Guttenberg-Demos untermauert wird.
Demokratie spielt sich letztlich immer in der Realität, nicht allein
in der virtuellen Welt ab. Der Funke aber springt schnell über wie
Stuttgart, Kairo und Tunis zeigen.



Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

319282

weitere Artikel:
  • WAZ: Ein Kind, das niemand wollte - Leitartikel von Jürgen Polzin Essen (ots) - Niemand wollte E 10. Ausgenommen vielleicht der Finanzminister, der sich über die geschätzten Steuermehreinnahmen von 600 bis 700 Millionen Euro gefreut hätte. Die Geschichte vom Biosprit ist voller Missverständnisse, Un- und Halbwahrheiten. Das gut gemeinte, zum Scheitern verurteilte Unterfangen, mehr Bio in den Tank zu packen, endet nun im peinlichen Finale gegenseitiger Schuldzuweisungen: Wer hat's verzapft? Es war die Automobilindustrie, die Klimaschutzverpflichtungen auf die Mineralölindustrie abwälzen wollte. mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Streik bei der Bahn Stellvertreterstreik BERNHARD HÄNEL Bielefeld (ots) - Die Lokführergewerkschaft macht ernst. Spätestens, wenn die närrischen Tage ausgelaufen sind, kann es zum Stillstand kommen auf sämtlichen Gleisen. Privatbahnen, Personennah- und Fernverkehr und zusätzlich auch der komplette Güterverkehr auf der Schiene könnte zum Stillstand kommen. Ein Machtspiel der kleinen, aber mächtigen und durchsetzungfähigen GDL, das zunehmend auf Verwunderung, schon bald für kräftige Verärgerung beim mobilen Bürger treffen dürfte. "Wir können auch länger", dieses Signal wird spätestens Montag mehr...

  • WAZ: Islamistisch vernetzt - Kommentar von Wilhelm Klümper Essen (ots) - Angesichts der eiskalten Hinrichtung von zwei US-Soldaten gefriert einem das Blut in den Adern. Der 21-jährige Arid U. bittet einen GI noch um eine Zigarette, um ihn dann niederzustrecken. Dann werden der Busfahrer erschossen und zwei weitere US-Soldaten schwer verletzt. Derzeit gilt Arid U. als Einzeltäter, der in kürzester Zeit durchs Internet radikalisiert worden sein soll. Allerdings steht diese These auf wackligen Beinen, da er sich bereits vor Jahren mit einem radikal-islamistischen Deutsch-Syrer getroffen haben mehr...

  • WAZ: Bahnstreik - nicht schon wieder! - Kommentar von Angelika Wölk Essen (ots) - Nicht schon wieder! Das, was sich die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) und die Arbeitgeber jetzt wieder an Schlagabtausch bieten, weckt ganz böse Erinnerungen an den Arbeitskampf 2007/2008. Und der währte, zum großen Leidwesen aller genervten Fahrgäste, Monate lang. Und jetzt bahnt sich eine Wiederholung an. Die Tarifparteien sind gerade dabei, die Geduld der Bahnkunden weit über Gebühr zu strapazieren. Vor drei Jahren setzte die GDL ganz auf Risiko. Und sie hatte Erfolg damit. Gegen den erbitterten Widerstand der mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Erste Bewährungsprobe für den Neuen - Leitartikel Berlin (ots) - Noch keinen Tag im Amt, hat der neue Bundesinnenminister gleich für Streit mit der Opposition gesorgt. Den hätte sich Hans-Peter Friedrich so früh wohl gern erspart. Doch sein Partvorsitzender Horst Seehofer hatte ihn zur Bekundung der eigenen Wichtigkeit zum gemeinsamen Auftritt in der Bundespressekonferenz gedrängt. Und so konnte Friedrich sich dort nicht um eine Antwort drücken, als er nach der Bedeutung des Islam in Deutschland gefragt wurde. Seine Differenzierung, Muslime gehörten als Bürger natürlich zu diesem mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht