(Registrieren)

AKW-Laufzeiten: Deutsche Umwelthilfe verklagt Justizministerin wegen verweigerter Akteneinsicht

Geschrieben am 03-03-2011

Berlin (ots) - Pressemitteilung

Überraschende Kehrtwende von Ministerin
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bei Laufzeitenfrage nach wie vor
rätselhaft - Zunächst hatte BMJ nur Laufzeitverlängerungen von
maximal zwei Jahren und vier Monaten als im Bundesrat nicht
zustimmungspflichtig eingestuft, dann aber acht bis 14 Jahre
akzeptiert - Einsicht in Schriftstücke durch DUH gefährdet angeblich
"Funktionsfähigkeit der Bundesregierung" - Hintergründe der
Entscheidung berühren die laufende verfassungsgerichtliche
Auseinandersetzung

Eine unvermittelte Kehrtwende von Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor der Entscheidung über die bis
zu 14-jährige Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke hat
nun ein gerichtliches Nachspiel. Die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
klagt vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Ministerin, weil
sich das Bundesjustizministerium weigert, der Umweltorganisation
Einsicht in interne Vermerke und sonstige Schriftstücke zu gewähren,
die sich mit der Frage beschäftigen, was unter einer "moderaten
Laufzeitverlängerung" zu verstehen ist. Leutheusser-Schnarrenberger
weigert sich seit Herbst 2010 gegen die Akteneinsicht mit der
Begründung, diese würde die "Funktionsfähigkeit der Bundesregierung"
gefährden. Die Klage der Umweltorganisation stützt sich auf klare
Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes, IFG.

In der Auseinandersetzung geht es um eine bisher ungeklärte
Merkwürdigkeit im an Merkwürdigkeiten reichen Entscheidungsprozess
der Bundesregierung zu den Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke.
Mitte August 2010 hatte sich das Justizministerium Medienberichten
zufolge auf maximal zwei Jahre und vier Monate als "moderate" und in
der Konsequenz nicht im Bundesrat zustimmungspflichtige
Laufzeitverlängerung der alternden Meiler festgelegt. Zwei Wochen
später jedoch stimmte die Verfassungsministerin plötzlich einer
Laufzeitverlängerung von bis zu 14 Jahren zu - also einer immerhin
sechsmal längeren Frist. "Welche juristischen Gründe Frau Ministerin
Leutheusser-Schnarrenberger zu diesem spektakulären Kurswechsel
veranlasst haben, ist bis heute weder von ihr selbst noch von sonst
jemandem aus dem Justizministerium öffentlich erläutert worden", sagt
DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake. "Gerade mit Blick auf die
bevorstehende Auseinandersetzung über die Laufzeitverlängerung vor
dem Bundesverfassungsgericht sind aber die juristischen Argumente der
Verfassungsministerin für ihren Positionswechsel von nicht zu
unterschätzender Bedeutung".

Die DUH geht davon aus, dass es seinerzeit im BMJ eine
verfassungsrechtliche Bewertung gab und dass folglich entsprechende
Akten vorhanden sind. Nach der Kehrtwende des Ministeriums hatte es
in der Öffentlichkeit Spekulationen gegeben, die Ministerin, die
nicht als überzeugte Anhängerin der Laufzeitverlängerung galt, sei
von ihrem Parteivorsitzenden und Außenminister Guido Westerwelle
unter Druck gesetzt worden.

"Die Ablehnung der Einsichtnahme ist mit dem
Informationsfreiheitsgesetz nicht vereinbar. Das weiß auch Frau
Leutheusser-Schnarrenberger. Es gibt gute Chancen, dass die
Öffentlichkeit und auch die Bundesverfassungsrichter am Ende
erfahren, ob juristische oder eher doch politische Motive für die
Positionierung des BMJ verantwortlich waren", erklärt Rechtsanwältin
Cornelia Ziehm, die Leiterin Energiewende und Klimaschutz der DUH und
Autorin der Klage.

Einerseits hatte das BMJ bei seiner Verweigerung der Akteneinsicht
argumentiert, die damalige Vorbereitung einer Gesetzesvorlage sei
nicht Verwaltungs-, sondern Regierungstätigkeit und unterliege
deshalb nicht dem Informationsfreiheitsgesetz. Doch dies widerspricht
sehr eindeutig dem Willen des Gesetzgebers, der in der Begründung des
IFG formulierte: "Die Vorbereitung von Gesetzen in den
Bundesministerien als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit
fällt ebenfalls in den Anwendungsbereich des
Informationsfreiheitsgesetzes".

Andererseits erklärte das BMJ die "Funktionsfähigkeit der
Bundesregierung" für gefährdet, weil im Fall der Einsichtnahme in die
Akten durch die DUH der so genannte "Kernbereich exekutiver
Eigenverantwortung" berührt würde. Bezeichnenderweise belasse es das
BMJ bei dieser pauschalen Behauptung, ohne sich auch nur ansatzweise
damit auseinanderzusetzen, warum gerade die Einsichtnahme in die
konkret von der DUH bezeichneten Dokumente angeblich eine Gefahr für
die Funktionsfähigkeit der Regierung darstellen könnte, erklärte
Ziehm. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügten
jedoch derartig pauschale Behauptungen ausdrücklich nicht für eine
Ablehnung.

Bestätigt wird die Rechtsauffassung der DUH zudem durch zwei
aktuelle Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts
Berlin-Brandenburg vom 5. Oktober 2010. Cornelia Ziehm: "Ich halte
die Argumentation des BMJ gegen eine Akteneinsicht auf ganzer Linie
für nicht überzeugend. Es drängt sich die Frage auf, was es denn
Brisantes zu verbergen gibt, wenn sich ausgerechnet das
Verfassungsressort in dieser Angelegenheit juristisch auf derart
ungesichertes Gelände begibt."



Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin; Mobil: 0151 55016943, Tel.: 030 2400867-0, E-Mail:
baake@duh.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Hackescher
Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0160 94182496; Tel.: 030 2400867-0,
E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 2400867-0, E-Mail:
rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

318980

weitere Artikel:
  • Einladung zur Pressekonferenz am Donnerstag, 3. März 2011 / IW-Gutachten zur Verschuldung der Bundesländer - Zahlen und Fakten: Wer schafft die Schuldenbremse? Berlin (ots) - Noch spannender als beim Bund wird die Einhaltung der Schuldenbremse bei den Bundesländern. Deren Verschuldung ist in den vergangenen Jahren so rasant gestiegen wie die des Bundes. Ab dem Jahr 2020 dürfen die Länder jedoch keine neuen Schulden mehr machen und müssen bis dahin ihre Haushalte sanieren. Welche Bundesländer werden am ehesten diese Anforderung der Schuldenbremse des Grundgesetzes erfüllen? Wo sind die Schulden am höchsten, wo wird am meisten in Infrastruktur investiert? Und wo laufen die Personalkosten mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: Neue Länder SPD-Bundestagsfraktion: Neuer Innenminister Friedrich muss mehr für den Aufbau Ost tun Halle (ots) - Die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für den Aufbau Ost, Iris Gleicke, hat den neuen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) aufgefordert, sich um den Aufbau Ost zu kümmern. "Wir werden ihm da ganz genau auf die Finger gucken und im Zweifelsfall auf dieselben klopfen", sagte sie der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag-Ausgabe). "Es liegt allerdings auch an Frau Merkel, ob der Aufbau Ost noch eine Rolle spielt. Und sie hat sich da als Ostdeutsche nicht wirklich mit Ruhm bekleckert." mehr...

  • Flüchtlinge und Vertriebene aus Libyen: Humanitäre Tradition unter Beweis stellen Luzern (ots) - Caritas Schweiz hat zugunsten der Flüchtlinge und Vertriebenen in der Maghreb-Region einen Nothilfe-Beitrag von 200 000 Franken zur Verfügung gestellt. Zu den verletzlichsten Gruppen gehören Migranten und Migrantinnen aus Ägypten, Schwarzafrika (Niger, Tschad) und Asien (Bangladesch). Auch der Bund sollte die Aufnahmestaaten Tunesien und Ägypten mit humanitärer Hilfe unterstützen sowie wirtschaftliche und technische Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen bieten. Nach Einschätzung der Caritas ist es mehr...

  • Finanzexperte: Börsenfusion kann Problem für deutsche Unternehmen werden / Deutsches Aktieninstitut warnt auf "heute.de" vor "Cowboymethoden" der US-Börsenaufsicht Mainz (ots) - Die geplante Fusion der Deutsche Börse AG und der New Yorker Börse NYSE Euronext könnte für deutsche Unternehmen gravierende Folgen haben. Rüdiger von Rosen, geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, sagt im Interview mit dem ZDF-Nachrichtenportal "heute.de", mit der geplanten Fusion könnten deutsche börsennotierte Unternehmen unter die Aufsicht der amerikanischer Rechtsprechung und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC kommen. Damit drohten auch Unternehmen, die ihren Sitz nicht in den USA haben, mehr...

  • Der Tagesspiegel: Attentäter von Frankfurt äußert Hass auf US-Soldaten Berlin (ots) - Der Attentäter Arid U., der auf dem Frankfurter Flughafen zwei Amerikaner erschoss, hat nach Informationen des Tagesspiegels vom 3. März aus Sicherheitskreisen in einem ersten Verhör Hass auf US-Soldaten geäußert und als Grund angebliche Übergriffe amerikanischer Militärs genannt. Arid U. will wenige Tage vor der Tat Videos gesehen haben, in den angeblich Gräueltaten amerikanischer Soldaten gezeigt wurden, darunter auch die Vergewaltigung einer Frau. Die Ermittler prüfen nun, um welche Videos es sich handelt. Es sei mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht