(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Ein Anfang, aber kein Befreiungsschlag - Leitartikel

Geschrieben am 06-01-2011

Berlin (ots) - Ein Anfang ist gemacht - wer einen solchen Satz zum
Leitthema seiner Rettungsrede erhebt, der steht wirklich mörtelfest
in der Defensive. Frieden, Freiheit, Wohlstand, Mittelschicht,
Leistungsgerechtigkeit: Es sind die bewährten Begriffe, die Guido
Westerwelle ins Zentrum seines erwartungsüberfrachteten
Dreikönigsauftrittes rückt, und sie werden verlässlich beklatscht.
Seit den 80er-Jahren ist das so in der FDP - seit 2001 ist das so,
wenn Guido Westerwelle sie vom Chef-Pult aus skandiert. Doch ist das
wirklich der nötige Befreiungsschlag? Keiner mag im Ernst erwartet
haben, dass sich der Mann, der sein Selbstbild gerne mit maritimen
Metaphern von Kapitän und Kommandobrücke malt, den öffentlichen
Demutsdackel gibt. Inklusive devoter Verneigung vor einem kommenden
Mann, seinem Generalsekretär Christian Lindner. Wie so was endet,
kann man zeitgleich beim grotesken Höflichkeitshalma von Horst
Seehofer gegenüber seinem Jungstar Guttenberg in Wildbad Kreuth
bewundern. Nein: Westerwelle musste versuchen, die Kritik an ihm in
Kritik an der Leistung der Gesamtregierung umzudeuten. Und das tut er
- ganz Westerwelle - am liebsten durch eine selbstgalante Volte: Die
Kritik an mir ist in Wahrheit der Wunsch nach mehr ich! Nicht mit mir
als Chef ist das Parteivolk unzufrieden, sondern damit, dass ich
nicht genug umgesetzt habe von unserem Programm. Und so präsentiert
er erregt seine Litanei sachpolitischer Einzelerfolge, bekränzt mit
dem Slogan, das sei doch nur der Anfang. Doch reicht das für den
Rückweg aus dem Vier-Prozent-Jammertal? Läuft er mit dem Rezept,
gegen Westerwelle-Müdigkeit helfe nur Westerwelle-Plus, nicht an den
entscheidenden Fragen vorbei? Und zwar vor allem an den Bedürfnissen
seiner Wählerschaft, jener vielbeschworenen bürgerlichen
Mittelschicht, die ganz ungeniert mit den "Ökochaoten" vor
ungeliebten Baustellen kuschelt? Ist das einzig Interessante am neuen
Bürgerengagement in Berlin, in Hamburg und Stuttgart die Tatsache,
dass Sitzblockaden in Deutschland eine Ordnungswidrigkeit darstellen,
wie Westerwelle in seiner Rede betont? Oder überlässt er damit den
Grünen ohne Not die politische Deutungshoheit über den sonntäglichen
Esstischen des aufstrebenden Jungbürgertums? Denn dieses Bürgertum
hat sich aus dem Dreiklang Bürgerlichkeit, Freiheit und Leistung
längst neue Akkorde gebaut, zu denen ein lediglich
"Steuervereinfachung" schreiender Westerwelle nicht passen wird. Das
Problem ist: Die Partei wird erst mal an Westerwelle festhalten
müssen. Und zwar sowohl als Parteichef, als auch als Außenminister.
Das heißt vor allem: Seine Führungsriege wird ihn tragen müssen, denn
einen Besseren hat sie - bisher - nicht. Doch damit das klappt, muss
Westerwelle selbst neue Tonarten erlernen. Parteifreunde, die ihn da
einsingen könnten, hat er genug - Christian Lindner vor allen. Das
bedeutet nicht, in den Kernbegriffen umzufallen. Doch wer die
Freiheit einer modernen Gesellschaft zur Entfaltung bringen will,
muss mehr tun, als sie zum Stereotyp verkommen zu lassen. Er muss sie
mit Inhalt füllen. Die Welt bietet genug Themen dafür - und die Wahl
in Baden-Württemberg Westerwelles nächste Probe.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

309285

weitere Artikel:
  • Neue OZ: Kommentar zu Ungarn / EU Osnabrück (ots) - Zeichen setzen Ungarns Premier Viktor Orban hat also eingelenkt. Das war angesichts der harschen Kritik an seinem neuen Mediengesetz vorherzusehen. Für Orban war es ein desaströser Start in die EU-Ratspräsidentschaft - retten konnte er ihn nur, indem er die Wogen glättete. Doch ganz geht der kämpferische Premier nicht in die Knie. Er knüpft eine Reform des Mediengesetzes an die Bedingung, dass auch Bestimmungen in anderen Ländern geändert werden müssten. Diese Forderung scheint im Moment zwar alles andere als mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Soziales / Hartz IV Osnabrück (ots) - Das Geschacher beenden Es ist ein Trauerspiel. Eigentlich sollten Langzeitarbeitslose Ende 2010 einen neu berechneten Hartz-IV-Regelsatz erhalten. So hatte es das Bundesverfassungsgericht gefordert. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Stattdessen tragen Regierung und Opposition Kämpfe aus, die mehr der eigenen Profilierung als der Sache dienen. Die Bedürftigen gucken derweil in die Röhre. Und daran dürfte sich auch im neuen Jahr so schnell nichts ändern. Denn die Fronten sind starr, sie verlaufen durch mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Parteien / Linke Osnabrück (ots) - Unerfreulich eindeutig In einem sprachlich und intellektuell unterirdischen Text fabuliert Gesine Lötzsch über den Kommunismus - na und? Damit ist sie nicht die Erste und wird nicht die Letzte sein, aus der Linkspartei schon gar nicht. Wäre da nicht die vermeintliche Kleinigkeit, dass sie die Co-Vorsitzende dieser Vereinigung ist. Dass diese an Regierungen in Deutschland beteiligt ist. Und dass zu den Wegen zum Kommunismus Versuche gehören, die nicht unkommentiert als legitim, aber leider gescheitert bezeichnet mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Parteien / FDP Osnabrück (ots) - Er wird noch gebraucht War das die Rede seines Lebens? Kaum. Es war von vornherein absurd, den Auftritt von FDP-Chef Guido Westerwelle mit solchen Ansprüchen zu befrachten. Westerwelle gab gestern den Staatsmann, spielte seine 30-jährige politische Erfahrung aus. Er untermauerte damit, dass es derzeit keine personelle Alternative zu ihm gibt. Mitgerissen hat er seine Zuhörer nicht. Auch von Selbstkritik fast keine Spur, dabei wären klärende Worte fällig gewesen. Zwischen dem Vorsitzenden und der Basis bleibt mehr...

  • ARD-DeutschlandTrend Januar 2011: Nur jeder Sechste will weniger oder keine Eier mehr essen - 80 Prozent der Deutschen beurteilen die Qualität der Lebensmittel positiv Köln (ots) - Sperrfrist: 06.01.2011 23:15 Bitte beachten Sie, dass diese Meldung erst nach Ablauf der Sperrfrist zur Veröffentlichung freigegeben ist. Sperrfrist für alle Ergebnisse: - für elektronische Medien heute, 23:15 Uhr - für Printmedien: Freitagsausgaben Verwendung nur mit Quellenangabe "ARD-DeutschlandTrend" Die Berichte über Dioxin in Eiern und Fleisch haben kaum Einfluss auf das Ess- und Kaufverhalten der Deutschen. Im aktuellen ARD-DeutschlandTrend geben nur 14 Prozent an, nun mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht