(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Zum Schlichterspruch zu Stuttgart 21

Geschrieben am 30-11-2010

Cottbus (ots) - Millionen interessierter Zuschauer vor den
Fernsehern, ein weiser alter Mann, der gewieft die Runde geführt hat,
und Beteiligte, die ihre Argumente sachlich ausgetauscht haben - das
war die Schlichtung zu Stuttgart 21. Sie war ein positives
Demokratie-Erlebnis, auch wenn sie am Ende keine wirkliche Lösung
brachte. Und sie könnte die Debattenkultur in Deutschland verändern,
letztlich das Verhältnis von Politik und Bürgern. Man tritt Heiner
Geißler nicht zu nahe, wenn man sagt, dass er sich in seiner Funktion
als Schlichter durchaus gefallen hat. Seine Eitelkeit hat ihm auch
die notwendige Autorität für die schwierigen Gespräche verliehen.
Niemand sollte allerdings glauben, dass Geißlers detaillierte
Verbesserungsvorschläge der große Brückenschlag werden. Denn was hat
er mehrfach mit Blick auf die Unvereinbarkeit der Positionen gesagt?
Wäre die Katze ein Pferd, könnte man die Bäume hoch reiten. In
Stuttgart - immerhin - sind alle runter von der Palme. Die
Schlichtung hat die Lage nicht geklärt, aber beruhigt. Das Verfahren
ist freilich viel mehr gewesen als nur die Versachlichung eines
Streits um den Neubau eines gigantischen Bahnhofs. Es fand vor dem
Hintergrund eines wachsenden Widerstands der Menschen gegen eine
nicht nur gefühlte Bevormundung durch die Politik und einige Konzerne
statt; vor dem Hintergrund der Frage, ob dieser Staat endlich mehr
Demokratie wagen muss. Die Antwort lautet: Er muss. Denn einerseits
sind immer mehr Bürger gut informiert, und sie wollen mitbestimmen,
was vor Ort bei ihnen geschieht. Andererseits greifen Wahlmüdigkeit
und Politikverdrossenheit um sich. Der Ruf nach mehr Beteiligung an
Entscheidungen ist somit nur folgerichtig. Wenn die Politik die
Distanz zwischen sich und den Wählern verkleinern will, das hat
Geißler ihr ins Stammbuch geschrieben, dann darf sie sich nicht
länger abkapseln. Sondern sie muss wieder lernen, hinzuhören und
einzubinden. Dazu gehört auch, auf die Möglichkeiten zurückzugreifen,
die inzwischen in allen Landesverfassungen enthalten sind:
Volksbegehren und Volksentscheid. Der Bürger steht im Gegenzug auch
in der Pflicht: Er wird dazu animiert, auf politische Entscheidungen
nicht nur zu reagieren, sondern sie mitzugestalten. Sowie am Ende
auch zu akzeptieren. Nun sollte man nicht glauben, dass
Volksentscheide eine politisch-bürgerliche Wunderwaffe sind. Die
Frage ist berechtigt, welche der großen Entscheidungen wohl ein
Plebiszit überstanden hätten, wenn es diese Möglichkeit auch im Bund
gäbe. Nur: Gerade in den Kommunen und in den Ländern ist eine
Stärkung der Demokratie ohne großes Risiko machbar. Mehr Demokratie
zu wagen bedeutet auch, ein bisschen mutig zu sein.

Originaltext: Lausitzer Rundschau
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/47069
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_47069.rss2

Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

303825

weitere Artikel:
  • Ostsee-Zeitung: Kommentar zu Stuttgart 21 Rostock (ots) - Sechs Wochen Schlichtung sind vorbei in Stuttgart. Was haben sie gebracht? Erstens die Erkenntnis, dass eine Schlichtung einem Konflikt die Schärfe nehmen kann. Für anderthalb Monate gab es keine Auseinandersetzungen mehr, und wenn, dann wurden sie unter dem wachen Auge der Fernsehkameras sachlich ausgetragen. Zweitens die Erfahrung, dass eine Schlichtung nicht immer einen goldenen Mittelweg als Ergebnis haben kann. Das lag hier schon in der Natur der Sache. Man kann keinen halben Bahnhof abreißen und einen halben mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Junge Geißlers braucht das Land - Leitartikel Berlin (ots) - Es gibt ein paar gute, aber auch ein paar schlechte Botschaften, die sich aus dem in dieser Form bisher einmaligen Schlichtungsverfahren zu Stuttgart 21 ergeben. Die schlechteste ist: Heiner Geißler ist schon 80. Was der schon seinerzeit mal vom Freund, mal vom Feind verkannte Ex-CDU-Generalsekretär in den vergangenen Wochen geleistet hat für die demokratische Kultur in unserem Land ist sensationell. Souveränität, Brillanz, Durchblick, Demut und Autorität - man wünschte sich dringend ein deutliches Mehr an Geißler-Potenzial mehr...

  • Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 1. Dezember 2010 das Schlichtungsergebnis zum Bahnhofsprojekt Stuttgart 21: Bremen (ots) - Respekt, Heiner Geißler! von Joerg Helge Wagner Wie schafft man es, Frieden zu stiften, wo ein Kompromiss schier unmöglich ist? Heiner Geißler, der Schlichter beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21, hat es uns gezeigt: Indem man sehr viel Geduld und Grips darauf verwendet, am Ende niemanden als Verlierer dastehen zu lassen. Das hat der Mann geschafft und dafür gebührt ihm höchster Respekt. Geißler hat die Minimalvoraussetzung für eine Schlichtung maximal genutzt: die Gesprächsbereitschaft der Kontrahenten. Auch mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar zu Schlichtung Stuttgart 21: Frieden in Schwaben ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN Bielefeld (ots) - Dass sich Geißler für Stuttgart 21 entschieden hat, liegt auch daran, dass ein echter Kompromiss nicht möglich war. Schließlich haben die Arbeiten für den Tiefbahnhof schon begonnen. Wollte man stattdessen den Kopfbahnhof erweitern, wie es die Stuttgart-21-Gegner vorgeschlagen haben, wäre ein Baubeginn bei dem üblichen planungsrechtlichen Schneckentempo vor 2035 wohl nicht möglich. Der Fehler der Stuttgarter Schlichtung liegt darin, dass sie zu spät kommt. Es wäre besser, wenn Bürger ihren Protest nicht erst äußern, mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT zum Schlichterspruch zu »Stuttgart 21« Bielefeld (ots) - Am Ende wurde es arg pathetisch. Das »Stuttgarter Demokratiemodell« müsse fortan Vorbild sein, mahnte Heiner Geißler. Ein Schlusssatz wie gemacht für diesen Schlichter: Kleiner hatte es der 80-Jährige einfach nicht. Zweifelsohne hat Geißler guten Grund, mit sich zufrieden zu sein, vor allem, weil es ihm gelungen ist, den Konflikt um den neuen Tiefbahnhof zu befrieden. Auch hat das Schlichtungsverfahren in seiner Offenheit und in der Ernsthaftigkeit, in der es geführt wurde, einen unschätzbaren Wert. Viel wäre mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht