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Rheinische Post: Kommentare Rheinische Post Düsseldorf, ...ausgabe Datum

Geschrieben am 30-11-2010

Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Sven Gösmann:

Neun "Schlichtungsrunden" hat Heiner Geißler gebraucht, um
festzustellen, dass die Konzepte von Gegnern und Befürwortern des
Bahnhofsprojekts "Stuttgart 21" unvereinbar sind. Er schlägt nun eine
neue Mediation vor. Trotzdem ist Geißler nicht nur erfolglos
geblieben. Er hat die Situation in Baden-Württemberg zumindest
befriedet und vor allem den Bauherren Zeit geschenkt, sich zu
berappeln. Denn das Großprojekt ist kommunikativ desaströs vermittelt
und teilweise schlecht geplant worden. Was aus Stuttgart 21 wird,
weiß nicht einmal der weise Geißler. Eines immerhin ist geschafft:
Beobachter des Prozesses bleiben vorerst von den arg
selbst-verliebten Auftritten des Politpensionärs verschont. Ob nun in
Stuttgart der Bahnhof unter, über der Erde oder auf Stelzen gebaut
wird und er eher "Stuttgart 22" wird, dürfte nach der
baden-württembergischen Landtagswahl am 27. März vor allem
Eisenbahnfreunde und ihre Nachkommen interessieren. Die zu
betrachtenden Folgen für die Zukunftsfähigkeit des Landes bleiben.
Denn das Schlichtungsmodell macht Schule in einer politischen Klasse,
die sich gern um ein klares Wort, eine Haltung und auch unbequeme
Entscheidungen herumdrückt. Jüngstes Beispiel ist die frisch ins Amt
berufene grüne Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes, die
das Projekt einer CO-Pipeline der Firma Bayer von Krefeld nach
Dormagen auf Geißlersche Art ins Nirwana moderieren möchte. Anders
kann man ihre Einlassungen nicht interpretieren, das
Planänderungsverfahren mit maximaler Bürgerbeteiligung für die bei
Tausenden besorgten Anwohnern ungeliebte Pipeline zu eröffnen. Auch
hier hat die Bayer AG samt den beauftragten Firmen es Gegnern des
Projekts leicht gemacht, dagegen zu sein: mit
technokratisch-verdruckstem, beleidigtem Verhalten und allerlei
Abweichungen vom Bauplan. Um nicht missverstanden zu werden:
Natürlich sind bei Großprojekten - wie bisher schon und noch
intensiver und besser organisiert - die Interessen der Bürger zu
berücksichtigen. Natürlich muss es juristische
Einspruchsmöglichkeiten geben. Aber ebenso natürlich dürfen Politik
und politische Beamte Gestaltungsfähigkeit und -willen nicht an
(Berufs-)Betroffene delegieren. Sie schwächen sich, indem sie
zugunsten durch nichts legitimierter partizipatorischer Modelle die
parlamentarische Demokratie schwächen. Geißlers Stuttgart-21-Gegner
waren ein lockerer Verbund von Vereinen und Einzelpersonen, die als
Begründung ihrer Teilnahme vor allem ihre zuvor in dieser Frage
erreichte mediale Präsenz hatten. Sie repräsentieren nicht den
Wählerwillen, mitunter verfügen sie nicht einmal über einen
Mitgliederauftrag. Nicht anders dürfte es bei den CO-Pipeline-Gegnern
sein. Wer aber nicht mehr entscheiden will oder kann, wird auch nicht
mehr ernst genommen. So schafft sich Politik ab.

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30621
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303


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