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Deutsche plädieren für soziale Leistungsgesellschaft / McKinsey-Umfrage Perspektive-Deutschland: Bürger wollen mehr leisten / Gleichzeitig Wunsch nach sozialem Ausgleich / Große Angst um den Job

Geschrieben am 26-04-2006

Berlin (ots) - Die Mehrheit der Deutschen fordert eine energische
Modernisierung ihres Landes. Drei Viertel der Bundesbürger sind der
Meinung, dass die Reformen der vergangenen Jahre nicht ausreichen.
Große Einigkeit auch bei der Richtung der Veränderung: 83 Prozent
sprechen sich für eine bessere Belohnung von Leistung aus, 54 Prozent
plädieren für weniger Staat mit einer stärkeren privaten
Risikoabsicherung. Gleichzeitig wünscht sich der Großteil mehr
sozialen Ausgleich und nimmt den Staat in den Bereichen Gesundheit,
Rente und Bildung in die Pflicht. Insgesamt fühlen sich die Deutschen
wohl in ihrem Land (61 Prozent) - am meisten im Süden. Nur 7 Prozent
sind unzufrieden. Doch für die Zukunft sieht die Mehrheit schwarz:
Zwei von drei glauben, dass sich ihre finanzielle Situation
verschlechtert. Die Hälfte der Beschäftigten fürchtet um den
Arbeitsplatz.

Das sind die zentralen, repräsentativen Ergebnisse der
McKinsey-Umfrage Perspektive-Deutschland, die am Mittwoch in Berlin
vorgestellt wurde. An der fünften Auflage beteiligten sich von
Oktober 2005 bis Januar 2006 mehr als 620.000 Menschen in
Deutschland. Neben der Unternehmensberatung McKinsey sind an der
Initiative das Magazin stern, das ZDF sowie das Internetportal WEB.DE
beteiligt. Perspektive-Deutschland ist die größte
gesellschaftspolitische Online-Befragung der Welt.

"Die Ergebnisse von Perspektive-Deutschland sind eine
anspruchsvolle Mischung scheinbar widersprüchlicher Elemente. Diese
Kombination von links und rechts, dieses Sowohl-als-auch statt des
polarisierenden Entweder-oder kennzeichnet eine neue Entwicklung -
die soziale Leistungsgesellschaft", sagte Bundespräsident a.D.
Richard von Weizsäcker, Schirmherr von Perspektive-Deutschland, bei
der Präsentation der Ergebnisse. Es gelte nun, den begonnenen
Reformkurs mutig fortzuführen, dabei aber das Ziel des sozialen
Ausgleichs nicht aus den Augen zu verlieren. "Der deutliche Auftrag
an die Politik lautet, die sozialen Ziele nicht aufzugeben, aber
Anreize zu schaffen, die das private Angebot zur Leistung fördern",
so von Weizsäcker.


Mehr Marktwirtschaft, aber mit sozialem Augenmaß

Knapp zwei Drittel (62 Prozent) der Befragten geben an, die
deutsche Gesellschaft solle sich in Zukunft schneller als heute
verändern. Zugleich entwickeln die Bundesbürger ein ausgesprochenes
Gespür für sozialen Ausgleich. Einen Staat, in dem der Einzelne "viel
mehr" Lebensrisiken als heute trägt und wo die sozialen Unterschiede
"viel größer" sind, befürwortet uneingeschränkt lediglich eine
Minderheit von 10 Prozent. Das andere Extrem, den Versorgungsstaat,
der alle Risiken trägt und wo Steuern und Abgaben "viel höher" sind
als heute, will allerdings auch so gut wie niemand: nur 2 Prozent.

Geprägt ist das derzeitige Stimmungsbild von einer stärkeren
Leistungsorientierung. Fleiß und Ehrgeiz sind die wichtigsten Werte
der Deutschen (72 Prozent). Die überwältigende Mehrheit bekennt sich
zu lebenslangem Lernen, 29 Prozent können "sich auf jeden Fall", 50
Prozent "unter Umständen" vorstellen, in einem anderen Beruf zu
arbeiten. Vorausgegangene Umfragen von Perspektive-Deutschland
zeigten, dass 79 Prozent der erwerbstätigen Teilnehmer mehr arbeiten
wollen, 80 Prozent einen anspruchsvollen Arbeitsplatz bevorzugen, 64
Prozent auch dann noch arbeiten möchten, wenn sie finanziell
unabhängig sind.

Andererseits ist der Wunsch nach sozialer Ausgewogenheit
dringender als früher. 76 statt 56 Prozent im Vorjahr wünschen sich
geringere soziale Unterschiede. 38 Prozent wollen wieder mehr
staatliche Verantwortung bei der sozialen Sicherung (Vorjahr 32
Prozent). 64 Prozent fordern eine bessere finanzielle Unterstützung
der Familien durch den Staat.

"Die Menschen eilen der Politik voraus. Sie fordern mehr Markt und
mehr Gemeinschaft zugleich. Sie erkennen, dass dies kein Gegensatz
sein muss und darf", kommentiert McKinsey-Deutschlandchef Jürgen
Kluge. "Die Deutschen wollen keinen Sozialstaat alter Prägung, der
den Bürgern jegliche Eigenverantwortung abnimmt und sich als
Wohlstandsillusion und Wachstumsbremse entpuppt."


Zukunftssorgen belasten allgemein hohe Zufriedenheit

Unverändert plagen die Deutschen große Ängste: Knapp 60 Prozent
der Befragten erwarten eine Verschlechterung ihrer finanziellen
Situation. Fast genauso viele (58 Prozent) befürchten, dass sie im
Alter nicht mehr für Lebensunterhalt und Gesundheitskosten aufkommen
können. Angst um den Job hat jeder Zweite.

Im Gegensatz zu ihren persönlichen Befürchtungen, die im Vergleich
zum Vorjahr konstant hoch bleiben, schauen die Deutschen allgemein
nicht mehr ganz so pessimistisch in die Zukunft. Hatten vor einem
Jahr 55 Prozent weitere Verschlechterungen auf dem Arbeitsmarkt
erwartet, sind es nun 47 Prozent. Mit schlechteren Lebensbedingungen
für Familien rechnen nur noch 34 statt 40 Prozent, lediglich 24
Prozent gehen von einer Verschärfung der Bildungsmisere in
Deutschland aus. Vor Jahresfrist waren es noch 28 Prozent.

Alles in allem kann man in Deutschland gut oder sogar sehr gut
leben. Diese Einschätzung teilen immerhin 61 Prozent der Bevölkerung.
Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der Deutschen leben gerne in der
eigenen Region - die Zufriedensten nach wie vor im Süden. Unter den
ersten 20 der insgesamt 117 Regionen, die Perspektive-Deutschland
beleuchtet, liegen 16 in Bayern und Baden-Württemberg. Spitzenreiter
ist dieses Jahr Bodensee-Oberschwaben, gefolgt vom Südlichen
Oberrhein und dem bayerischen Oberland.

Zwar leidet Deutschland immer noch unter dem Ost-West-Gefälle.
Doch gewinnen mehr ostdeutsche Regionen an Attraktivität. So belegen
die Wirtschaftszentren Dresden und Leipzig in der Rangliste der
beliebtesten 15 Großstädte die Plätze neun und zwölf. Mit 70 und 65
Prozent Zufriedenheit liegen sie damit vor Dortmund (64 Prozent) und
Duisburg (55 Prozent). Selbst die ostdeutschen Regionen mit der
geringsten Zufriedenheit gewinnen an Boden. So verbesserte sich die
Region Dessau, die regelmäßig auf den untersten Rängen der
Zufriedenheitsskala rangiert, von 27 Prozent im Jahr 2003 um 11
Prozentpunkte auf 38 Prozent.


Hoffnung auf die neue Regierung

Wenig zufrieden sind die Deutschen mit ihren politischen
Institutionen. Mehr als 80 Prozent der Befragten sehen bei den
Parteien dringenden Verbesserungsbedarf. Dennoch setzen sie auf die
große Koalition. Während vor der Regierungsbildung am 22. November
2005 nur 44 Prozent der Deutschen glaubten, dass die neue Regierung
den Reformprozess stark vorantreiben werde, waren es anschließend 53
Prozent. Die Zahl der Optimisten stieg bis zum Abschluss der
Befragung Ende Januar 2006 durchschnittlich um 2,7 Prozentpunkte pro
Monat, die Zahl der Pessimisten sank monatlich um 3,1 Prozentpunkte.

Der Arbeitsmarkt ist mit Abstand das wichtigste Reformthema. 75
Prozent der Befragten sehen "besonders hohen Handlungsbedarf". Um
ihren Arbeitsplatz zu sichern, würde jedoch nur etwa ein Drittel der
Berufstätigen unbezahlt mehr arbeiten oder Urlaubstage opfern. Gerade
einmal ein Viertel würde mehr als 100 Kilometer dafür umziehen.
Lediglich 23 Prozent würden auf 10 Prozent des Gehalts verzichten.
Arbeitslose sind, wie die Befragung ergab, noch weniger flexibel.


Bürger haben Krise der Sozialsysteme erkannt

An der Krise der staatlichen Sicherungssysteme besteht für die
Deutschen kein Zweifel. 60 Prozent erwarten eine Verschlechterung.
Bei der Rente hat die Mehrheit der Bürger die Notwendigkeit zur
privaten Altersvorsorge erkannt. Weniger als 14 Prozent glauben an
eine ausreichende staatliche Absicherung. Fast die Hälfte der
Befragten (47 Prozent) hat sich bereits mit dem Thema ausführlich
auseinandergesetzt und sich um die eigene Altersvorsorge gekümmert.
Allerdings bleibt nach eigenen Angaben 51 Prozent der Deutschen kaum
etwas von ihrem Geld übrig, um zusätzlich privat vorzusorgen. Für die
Sicherung der gesetzlichen Altersvorsorge favorisieren 39 Prozent
eine niedrigere Rente mit verpflichtender Zusatzversicherung. 29
Prozent hingegen plädieren für eine Erhöhung des Zuschusses aus
Steuermitteln.

Beim Thema Gesundheit zeigt sich ein Umschwung. Die Bürger nehmen
den Staat wieder stärker in die Pflicht. Während 2002 noch die
Mehrheit (52 Prozent) eine Basisversorgung mit niedrigen
Beitragssätzen bevorzugte, sind es jetzt nur noch 41 Prozent.


Das Projekt Perspektive-Deutschland

Perspektive-Deutschland ging 2001 zum ersten Mal online. Seitdem
findet die Umfrage jährlich statt. Durch eine innovative Methodik, an
deren Entwicklung der amerikanische Nobelpreisträger Daniel McFadden
maßgeblich beteiligt war, können repräsentative Ergebnisse gewonnen
werden. Die für Online-Befragungen typischen Verzerrungen werden
erkannt und weitgehend bereinigt.


Sie können diese Pressemitteilung sowie weitere Informationen
unter www.perspektive-deutschland.de abrufen.

Originaltext: McKinsey&Company
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=14454
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_14454.rss2


Pressekontakt:
Josef Arweck,
Tel. 089 5594-8336,
E-Mail: Josef_Arweck@mckinsey.com


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