(Registrieren)

WAZ: Der Pflegereport Warum so schockiert? Wir wissen es doch - Leitartikel von Stefan Schulte

Geschrieben am 31-08-2007

Essen (ots) - Wenn der Körper nicht mehr will, wenn der Kopf die
Seele im Stich lässt, brauchen alte Menschen Hilfe. Doch um Hilfe zu
bitten, haben unsere Eltern nicht gelernt. Sie haben gelernt sich zu
quälen, bis es nicht mehr geht. Und wenn es nicht mehr geht, schämen
sie sich statt zu klagen. Und wir schämen uns, weil wir ihnen nicht
früher Hilfe aufgezwungen haben.

In Deutschland werden rund zwei Millionen alte Menschen gepflegt,
die meisten von ihren Angehörigen, die anderen im Heim oder von
ambulanten Diensten. Das sind Menschen, die wir gut kennen, von denen
wir sehr gut wissen, wie es ihnen geht. Schließlich leben diese zwei
Millionen nicht auf dem Planeten der Alten, sondern mitten unter uns.
Und doch verfällt unser Land jedes Mal in Schockstarre, wenn
Statistiken belegen, was wir seit vielen Jahren wissen: Unsere Alten
trinken zu wenig, sie liegen sich wund und überhaupt haben wir viel
zu wenig Zeit für sie.

Leider braucht unsere parlamentarische Mediendemokratie
Schlagzeilen wie diese, um überfällige Debatten voranzutreiben.
Insofern kann der jüngste Pflegereport nur hilfreich sein für die
anstehende Reform. Sie wird das letzte große Reformwerk dieser
Regierung sein, und die Ansätze sind bisher nicht schlecht. Die
Leistungen der Pflegekassen, die seit ihrem Bestehen eingefroren
sind, sollen endlich die steigenden Kosten auffangen. Für
Demenzkranke soll es mehr und gezieltere Hilfe geben. Und Angehörige
sollen von ihrem Arbeitgeber frei bekommen, wenn sie ihre Angehörigen
pflegen.

Wie immer wird auch hier bei jedem Vorschlag reflexhaft nach der
Finanzierbarkeit gefragt. Das ist grundsätzlich auch richtig so, nur
haben wir an unseren Alten zu lange gespart, als dass sich eine
Reform der Pflegeversicherung noch rechnen könnte. Lange genug haben
sich alle miteinander etwas vorgemacht: Dass immer weniger
Fachpersonal in den Heimen arbeitet; dass die besten Pflegerinnen
aufgehört haben, weil sie nicht so helfen konnten, wie sie gerne
wollten; dass Pflege wieder zum Armutsrisiko geworden ist - woran
sonst soll das liegen als am fehlenden Geld?

Weder in Heimen noch bei den ambulanten Pflegediensten arbeiten
mehrheitlich Misanthropen. Doch sie arbeiten sehr viel für sehr wenig
Geld. Das liegt auch daran, dass viele Hilfebedürftige von den
Krankenkassen aus Spargründen in eine zu niedrige Pflegestufe
eingeordnet werden. Dass ihnen nun ausgerechnet der Medizinische
Dienst die Leviten liest, der die Stufen bestimmt, ist für die Heime
von bitterer Ironie.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

90223

weitere Artikel:
  • Märkische Oderzeitung: Kommentarauszug Märkische Oderzeitung (Frankfurt/Oder) zu Sachsen: Frankfurt/Oder (ots) - Ausgestanden ist die Bankenkrise, auch wenn der Finanzminister nun die Konsequenzen gezogen hat, keineswegs. Und ebenso wenig ist es der angeblich landesweite Korruptionsskandal, auch wenn dieser sich am Ende nur als Affäre eines sich wichtig machenden Verfassungsschutzes herausstellen sollte. Neben großen Worten ist nämlich nicht mehr viel aufgetaucht. Aber selbst wenn es so sein sollte, offenbart auch dieser Vorgang am Ende ein Defizit an politischer Führung und Aufsicht. Ob Ex-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mehr...

  • WAZ: Erst lesen, dann mitreden - Leitartikel bon Birgitta Stauber-Klein Essen (ots) - Wenn die WAZ nun täglich Nachrichten für Kinder anbietet, dann deshalb, weil wir Kinder ernst nehmen, weil wir sie als gleichwertige Leserinnen und Leser behandeln wollen. Damit werden wir tun, was eigentlich die Aufgabe der gesamten Gesellschaft wäre, nämlich anerkennen, dass Kinder wie alle Erwachsenen auch Bürger erster Klasse sind. Doch wenn es um Kinder geht, ihre Bedürfnisse, ihre Chancen, ihre Erziehung und Bildung, dann wird viel geklagt auf einem abstrakten Niveau - und, aus Kindersicht, unverständlich gehandelt. mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Krippenplätze Bielefeld (ots) - Wenn Politik, nicht selten ideologiegetrieben, erst einmal so richtig Fahrt aufnimmt, schießen oft nicht nur Stilblüten im schönsten Verlautbarungsdeutsch ins Kraut. Und gelegentlich neigt Politik trotzig zum »Durchregieren«. Die Losung »Jetzt wird durchregiert!«, man erinnert sich, gab im Hochgefühl-Zenit der eigenen Macht der SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder mehrmals aus. Vermutlich also dürfte wohl we- der die schwarz-rote Koalition im ganzen noch CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen einer bemerkenswerten mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Patientenverfügungen Bielefeld (ots) - Die große Mehrheit möchte nach einem erfüllten Leben daheim im Kreis der Familie sterben. Tatsächlich tritt der Tod bei 70 Prozent der Deutschen im Krankenhaus ein, oft nach langer und schwerer Krankheit. Deshalb haben heute schon acht Millionen eine Patientenverfügung für den Fall der Fälle getroffen. »Alle Apparate aus« nach soundsovielen Monaten Siechtum hat mancher darin festgelegt. Das klingt wohlüberlegt und eindeutig. Die Realität sieht anders aus. Ärzte sind Heiler. Unterlassene Hilfeleistung ist nicht ihr Ding. mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Software und Hartz IV Bielefeld (ots) - Der Betrugsvorwurf ist ungeheuerlich: In einem Schreiben an die lippische Bundestagsabgeordnete Gudrun Kopp (FDP) wirft Gerd Andres, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Kommunen und Kreisen gesetzeswidrige Berechnungsmethoden beim Arbeitslosengeld II vor. Zudem ist im Ministerium von vermeidbaren Ausgaben in Millionenhöhe die Rede. Offiziell gibt es keine konkreten Zahlen und keine konkreten Beschuldigten. Wenn sich Kommunen finanzielle Vorteile verschafft haben, müssen sie auch zur Rechenschaft mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht