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WAZ: Kaczynski und die Weltkriegsopfer: Die Entgleisung eines Desperados - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 21-06-2007

Essen (ots) - Die internationale Diplomatie ist nun um eine
Geschmacklosigkeit reicher. Auf polemische Weise die Last der
Geschichte in aktuelle europäische Verhandlungen einzubringen, als
moralischen Knüppel sozusagen, ist ebenso überraschend wie abstoßend.
Mehr Stimmen im Europäischen Rat als Wiedergutmachung für Geschichte:
Das offizielle Warschau nimmt überdies nicht nur Deutschland in
historische Haftung, sondern gleich den ganzen Rest Europas auch
noch. Würde das Schule machen, wäre Europa schnell am Ende.

Kaczynski entwertet die Geschichte, wenn er sie zu einem Vehikel,
einem Werkzeug aktueller (Macht-) Politik macht. Nur Idioten in
Deutschland bestreiten den verbrecherischen Überfall
Nazi-Deutschlands auf Polen, die mehr als sechs Millionen Toten, das
unendliche Leiden von Polen unter der deutschen Besatzung. Allerdings
missversteht Kaczynski mit seinem Vergleich boshaft bewusst oder naiv
unbewusst den wunderbaren Gründungsgedanken Europas. Die Europäische
Union ist ein Werk der Aussöhnung, nicht der Aufrechnung.

Dass ganze Generationen deutscher Schulkinder sich intensiv mit
der Geschichte des Dritten Reiches auseinandergesetzt haben, blendet
der glühende Nationalist Kaczynski ebenso aus wie Willy Brandts
Kniefall, die Entschuldigung Gerhard Schröders für die deutschen
Kriegsverbrechen am 60. Jahrestag des Warschauer Aufstands, den
Einsatz Helmut Kohls für die schnelle Mitgliedschaft Polens in der
Europäischen Union nach dem Mauerfall, die für den Historiker Kohl so
etwas war wie eine zweite, europäische Wiedervereinigung nach jener
der Deutschen.

In der internationalen Diplomatie ist die Gefahr groß, dass
Desperados in Sekunden mit dem Hintern einreißen, was Besonnene in
Jahren mit ihren Händen aufgebaut haben. Kaczynski ist ein solcher
Desperado. Gott sei Dank nimmt ihn und seinen Bruder niemand richtig
ernst in Europa. Wie man hört, machte der Mann der deutschen
Kanzlerin schon allen Ernstes den Vorschlag, den Nachkommen der im
19. und 20. Jahrhundert nach Deutschland (besonders ins Ruhrgebiet)
eingewanderten Polen wieder polnisch beizubringen; auf dass sie nie
vergessen mögen, woher sie stammen. So etwas fällt nur verblendeten
Nationalisten und ihren zynischen Helfern ein.

Erschreckend sind die Kaczynskis, weil sie Themen und Töne nach
Europa tragen, die längst überwunden waren. Es wäre klug, Europa
würde einmütig reagieren: So etwas, auf so etwas, wollen wir nie
wieder hören.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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