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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu G8-Gipfel

Geschrieben am 08-06-2007

Leipzig (ots) - Ach ja, Afrika. Wann immer die übrige Welt auf den
oft vergessenen Erdteil blickt, ist das halb reuevolle, halb
resignierende Seufzen zu hören. Keiner kann tiefer die Stirn in
Falten legen als Ex-Außenminister Joschka Fischer und mit
gedankenschwerer Knarzstimme raunen: "Malawi, Sudan..."
Afrika. In der weißen Stadt am Meer war das Schicksal des schwarzen
Kontinents den G8-Mächtigen immerhin einen ganzen Tag wert. Nur dem
Mächtigsten war der abgetrotzte Klimakompromiss noch auf den Magen
geschlagen - Bush musste pausieren. Dennoch steht, ähnlich wie beim
Klimaschutz, am Ende eine Zahl: 60 Milliarden Dollar Hilfe im Kampf
gegen Aids. Wie zuvor beim Klima, ist das Glas je nach Betrachter
halb voll oder halb leer. Es hätte mehr sein müssen, beklagen
Hilfsorganisationen. Es hätte auch weniger sein können, sagen
zufriedene Verhandlungsteilnehmer.
Doch auch in Afrika mehren sich kritische Stimmen, die in der
fortgesetzten milliardenschweren Alimentierung nicht länger die
Rettung sehen. So wichtig Hilfsgelder - wenn sie denn tatsächlich bei
den Betroffenen ankommen - zur Linderung der akuten Not sind: Sie
bleiben Symbolpolitik. Zudem verhindern korrupte Machthaber vor Ort
einen echten Aufschwung. Statt wie in asiatischen Schwellenländern
Wirtschaftshilfen auch gezielt zu investieren, versickern Millionen
in blutigen Bürgerkriegen oder auf den Konten der regierenden
Familienclans. Aber selbst bei geordneten Verhältnissen bekäme Afrika
wohl nur durch einen fairen Handel eine echte Zukunftschance.
Reizthemen wie westliche Agrarsubventionen, Zollschranken oder
Freihandelsabkommen blieben jedoch weitgehend Tabu in Heiligendamm.
Und was fiel den Gipfeldemonstranten ein? Sie feierten den Afrika-Tag
als Victory Day - im Rausch des vermeintlichen Sieges der Straße über
den G8-Strandkorb spielten Ergebnisse keine Rolle. Wen schert es
schon, dass die USA die Hälfte der Afrika-Aids-Hilfe zahlen wollen
und sich beim Klimaschutz erstmals bewegen - Bushs Amerika ist
weiterhin das rote Tuch.
Es bleibt berechtigte Kritik auch an den Kritikern. Das Räuber- und
Gendarmspiel zu Lande, zu Wasser und in der Luft war kostspieliger
Klamauk, auf den viele ernsthaft an Politik Interessierte gern
verzichtet hätten. Dass Polizisten, schlecht verpflegt und
untergebracht, im Dauereinsatz gegen schwarz-vermummte Block-Brutalos
verheizt wurden, ist zudem ein Armutszeugnis für das
Sicherheitsmanagement. Aber auch wer friedlich gegen den Hunger in
der Welt marschiert und zugleich Weizenfelder niedertrampelt, muss
sich mindestens Gedankenlosigkeit vorwerfen lassen. Eine bessere Welt
ist möglich? So ist das also gemeint - ein Mecklenburger Acker darf
den Gerechtigkeitszug nicht aufhalten.
Und Afrika? Spätestens die nächste Hungersnot wird die übrige Welt
wieder seufzen, spenden und streiten lassen. Auch Heiligendamm war
kein Dammbruch für eine neue, nachhaltige Afrika-Hilfe. Dennoch geht
eine Botschaft vom sonnenreichen Ostsee-Treffen aus: Vergessen ist
der schwarze Kontinent nicht. Immerhin.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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