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Rheinische Post: Gesucht: neuer Ruhrbaron, neue Industriepolitik

Geschrieben am 25-05-2007

Düsseldorf (ots) - Von Sven Gösmann

Eigentlich wird Essen erst 2010 Kulturhauptstadt Europas. Doch
schon jetzt sind in der Ruhrgebiets-Metropole alle Zutaten für ein
erfolgreiches Festival vorhanden: das Drama in Shakespearscher
Dimension -voller Missgunst, Intrige, Schlachtenlärm; daneben die
große Oper mit leider auch manch schrägem Ton. Fehlt nur noch die
große Gala à la Hollywood mit der feierlichen Ankündigung: ". . . und
der nächste Ruhrbaron wird. . . " Welcher Name dann folgt, darum
dreht sich der für Außenstehende nur noch schwer durchschaubare
Streit um den angestrebten Börsengang der "weißen" Bereiche (Chemie,
Energie, Immobilien) des in Essen beheimateten Ruhrkohle-Konzerns
RAG. Unternehmensboss Werner Müller und sein politischer wie
persönlicher Gegner, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, haben kaum
etwas unversucht gelassen, um die öffentliche Meinung hinter sich zu
bringen und damit Druck auf die jeweils andere Seite auszuüben.
Das war und ist für Journalisten nahrhaft, der Sache aber nicht
dienlich. Gebraucht wird in Wahrheit mehr als ein Top-Manager.
Gesucht wird eine neue Industriepolitik für NRW. Der Jobabbau bei der
Bonner Telekom oder die Personalentwicklung bei den großen
Versicherungen des Landes beweisen, dass "Strukturwandel" ein
dauerhafter Prozess ist. Anderslautende Erfolgsmeldungen der früheren
rot-grünen Landesregierung haben da zu einem falschen Gefühl der
Sicherheit im Lande geführt. Umso problematischer ist es, dass die
Debatte um die Zukunft der RAG in den Ruch geraten ist, allein eine
persönliche Fehde zwischen Müller und Rüttgers zu sein. Diese Form
der Betrachtung ist reichlich oberflächlich. Letztlich geht es um
viel mehr als den Rachefeldzug eines Regenten gegen seinen
Widersacher aus der Industrie. Gewiss: Rüttgers will den Skalp
Müllers für seine Trophäensammlung. Vorrangig geht es aber um eine
Definition dessen, was Industriepolitik in Zeiten der Globalisierung
für NRW bedeutet. Immer wieder hat Rüttgers betont, dass das Land
auch Industriestandort bleiben muss: "Wir können nicht alle davon
leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden." Und der
Christdemokrat mit "Arbeiterführer"-Anspruch will die industrielle
Entwicklung des Landes nicht kampflos globalisierten Konzernen
überlassen.
Rüttgers möchte auch deshalb in einer der Schaltzentralen künftiger
industriepolitischer Möglichkeiten jemanden platzieren, dem er
vertraut, der ihm aber vor allem den mittelbaren Zugriff auf
finanzielle Mittel zur Umsetzung politischer Programme bietet. Dieses
Modell ist in Nordrhein-Westfalen nicht unbekannt: Es stammt von
Johannes Rau. Das führt zu der Analyse, dass die häufige Bezugnahme
des Christdemokraten Rüttgers auf den Sozialdemokraten Rau nicht nur
Äußerlichkeiten meint, sondern tiefer geht. Man könnte den Eindruck
bekommen, Rüttgers wehre öffentlich wortreich das alte Staats-Modell
des Landesvaters mit Durchgriff auf die großen Unternehmen des Landes
ab, um es doch gleichzeitig anzustreben. Verdenken kann man es ihm
nicht. Denn Landespolitik - eingeklemmt zwischen Berliner und
Brüsseler Vorgaben ist in ihrer Gestaltungskraft auf die
Bildungspolitik beschränkt. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik, damit
zuerst die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und später
Wählerstimmen, muss der Regierungschef vor allem indirekt betreiben.
Einen strategischen Fehler des Systems Rau will Rüttgers in seinem
NRW-Bauplan aber offenbar nicht wiederholen: auf landespolitischer
Bühne eine Figur mit ähnlicher Machtfülle wie seiner eigenen zu
dulden. Deshalb der Kampf gegen den Kohlestiftungsvorstand Müller,
deshalb wohl auch die durchs politische Düsseldorf wabernden
Gerüchte, der Fall RAG sei nur eine Etappe auf Rüttgers' Weg: Auch
für West-LB-Chef Thomas Fischer könne es wegen angeblich nicht so
guter Zahlen, unkooperativem Verhalten gegenüber der Landesregierung
und den Skandalen in der Landesbank bald eng werden.
Rüttgers, so scheint's, hat jedenfalls seine Antwort auf die Frage
nach dem Ruhrbaron gefunden. Er bemüht nicht die Theater-, sondern
einen Klassiker der Filmgeschichte: "Highlander - es kann nur einen
geben."

Originaltext: Rheinische Post
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=30621
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_30621.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Rheinische Post
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Telefon: (0211) 505-2303


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