Südwest Presse: Kommentar: RAF
Geschrieben am 23-04-2007 |
Ulm (ots) - Es verwundert schon, dass Peter Jürgen Boock, eines der schillerndsten Mitglieder der RAF, nun plötzlich wissen will, wer vor 30 Jahren auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback geschossen hat. Nicht Christian Klar sei es gewesen, den das Oberlandesgericht Stuttgart für 26 Jahre hinter Gitter geschickt hat, sondern Stefan Wisniewski, der seit acht Jahren wieder auf freiem Fuß ist. Dabei sei an Generalbundesanwalt Kurt Rebmann erinnert, der Boock stets ein "taktisches Verhältnis zur Wahrheit" vorgehalten hatte, nachdem er 1992 sein Schweigen gebrochen und über einige Anschläge Auskünfte erteilt hatte. Und bei den Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) galt Boock als der "Karl May der RAF". Tatsächlich hat das BKA im Umfeld des Buback-Mordes keinerlei Spuren Wisniewskis gefunden, weder Fingerabdrücke noch andere. Auch wenn Michael Buback, der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts, am Tag, bevor er wegen der Begnadigung Klars ins Bundespräsidialamt gebeten worden war, in einer Zeitung eine Kehrtwendung vollzogen und sich für Gnade ausgesprochen hatte, so sind trotzdem einige Fragezeichen angebracht. Sie richten sich vor allem gegen Boock, der vor den Bundesanwälten schon viele Aussagen gemacht hat: Über die Entführung Hanns Martin Schleyers und die Ermordung seiner Begleitpersonen zum Beispiel. Warum aber rückt er mit der vollständigen Wahrheit gerade jetzt heraus, da es um Hafterleichterung und Gnade für Christian Klar geht? Hätte er die Täter nicht schon früher nennen können wie bei der Entführung Schleyers? Für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Klar oder gar Wisniewski besteht deshalb kein Anlass. Von Anfang an konnten die Taten nicht jeweils den ehemaligen RAF-Mitgliedern zugewiesen werden. Bei dem Mord an Siemens-Manager Karl-Heinz Beckurts, an MTU-Chef Ernst Zimmermann, an Deutsche-Bank-Vorstand Alfred Herrhausen oder Treuhand-Chef Detlev-Carsten Rohwedder, tappen die Ermittler noch heute im Dunkeln. Wenn nun behauptet wird, der Verfassungsschutz habe schon lange Hinweise auf ein Alibi Knut Folkerts' während des Buback-Mordes gehabt, so muss auch das an der Lage nichts ändern. Einerseits ist Folkerts nicht nur wegen Buback verurteilt worden, sondern auch wegen Mittäterschaft an diesem Anschlag, dessen Organisation nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts mindestens 15 bis 20 Personen erfordert hat. Selbst wenn Folkerts am Tattag in Amsterdam gewesen war, so sagt das über eine direkte Beteiligung an der Tat zwar etwas aus, nicht aber über seine Mittäterschaft. Betrüblich ist indessen, wie wenig aufgeklärt die einzelnen Taten des "Deutschen Herbstes" immer noch sind. Dies liegt natürlich an der mangelnden Aussagebereitschaft der RAF-Mitglieder. Die deutsche Justiz hat sich damit beholfen, dass sie die Täter wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder wegen Mittäterschaft verurteilt hat. Juristisch lässt sich dagegen nichts einwenden, weshalb auch die Rufe wegen angeblicher Justizirrtümer und die Forderung nach Wiederaufnahmeverfahren reichlich voreilig sind. Zwar gibt es in Deutschland das Institut des "Contempt of Court" nicht, wonach ein Gericht die Behandlung eines Falles nach Druck der Öffentlichkeit ablehnen kann. Aber beirren lassen sollten sich weder die Gerichte, noch Bundespräsident Horst Köhler, der über Gnade für Christian Klar entscheiden will.
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