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LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Saddam Hussein -

Geschrieben am 01-01-2007

Leipzig (ots) - Von Micha Schneider. Der Massenmörder und Diktator
Saddam Hussein ist tot. Kein Anlass für Mitleid oder Trauer. Einzig
die Art seines Todes durch den Strick wirft Fragen auf. Wie in der
Mehrzahl der arabischen Staaten gängige Praxis, wurde der einstige
irakische Machthaber mit einer Strafe belegt, die heute in den
meisten demokratischen Staaten abgelehnt wird, die aber auch gegen
die faschistischen Haupt-Kriegsverbrecher in Nürnberg angewandt
wurde. Im Gegensatz zu den Massenmördern Franco, Stalin, Mao oder
Pinochet fand der Mann, der den Irak jahrzehntelang tyrannisiert hat,
kein friedvolles Ende auf dem Totenbett einschließlich pompöser
Beisetzungszeremonie. Und doch wäre eine Umwandlung des Todesurteils
in eine lebenslange Freiheitsstrafe als Ausdruck von Menschlichkeit
und Zivilisation gerade gegen den mitleidlosen Schlächter von Bagdad
die angemessene und beispielhafte Lösung gewesen. Zumal nun in der
Diskussion um Saddams Hinrichtung das Leid seiner Opfer verdrängt und
der Despot als Märtyrer hochstilisiert wird.
Militärisch wie politisch ist der "Standhafte" (Saddam) spätestens
seit April 2004 tot, als seine Statue in Bagdad vom Sockel gestürzt
wurde. Die alten Herrschaftsstrukturen sind zusammengebrochen, eine
neue Ordnung längst noch nicht etabliert. Gewalt und Chaos werden
auch mit dem Tod des Diktators kein Ende nehmen. Polizei, Armee und
Justiz als Interessenvertreter des Saddam-Regimes sind ausgeschaltet,
Lynchjustiz, Bandenkriege und Stammesfehden beherrschen dafür den
Alltag. Dem Land Demokratie zu bescheren muss perspektivisch in
erster Linie Sache der Iraker selbst sein. Saddam stand dem
spätestens seit seiner Verhaftung nicht mehr im Wege. Sein Tod unter
dem mittelalterlichen Prinzip des Auge um Auge, Zahn um Zahn ist
keineswegs ein Meilenstein im Normalisierungsprozess. Sicher werden
viele seiner Opfer oder deren Angehörige gejubelt haben, als sie die
Bilder seiner Hinrichtung sahen.
Diese Genugtuung ist aber nicht gleichzeitig Zustimmung zur Präsenz
der Amerikaner und ihrer Verbündeten, die einerseits als Verfechter
der Freiheit auftreten, andererseits aber verhindern müssen, dass
islamische Fundamentalisten an die Macht kommen. So sind die
Pro-Saddam-Proteste in der arabischen Welt nicht Ausdruck von Mitleid
mit einem Wohltäter, sondern Signal gegen die Besatzer. Dabei
beobachten die Nachbarn des Irak - allesamt selbst intolerant geprägt
- argwöhnisch, ob sich ein demokratisches Bagdad für sie zu einer
politisch gefährlichen Alternative entwickelt. Die Hinrichtung des
Ex-Diktators ist für sie Anlass, Stimmung gegen die westliche Welt
und deren Demokratieverständnis zu machen.
Es gehört zum schrecklichen Erbe des Saddam Hussein, dass er zum
eigenen Machterhalt ethnische und religiöse Gruppen aufeinander
hetzte. Araber und Kurden, Schiiten und Sunniten, Christen und
Turkmenen bilden keine homogene Gemeinschaft. Fundamentalistische
religiöse Führer trachten derzeit unter dem Ruf der Selbstbestimmung
danach, das Land erneut in eine Diktatur zu stürzen. Mit dem Tod
Saddams hat sich daran nichts geändert. Im Gegenteil, er könnte als
ein Zeichen für gewaltsame Problemlösung missgedeutet werden.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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