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LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Nato-Gipfel

Geschrieben am 29-11-2006

Leipzig (ots) - So schlimm waren die Deutschen noch nie in der
Defensive wie vor dem Nato-Gipfel in Riga. Drückeberger-Vorwürfe aus
den USA und Großbritannien trafen Regierung und Bundeswehrführung ins
Mark. Je heftiger die internationale Schutztruppe im Süden
Afghanistans unter Taliban-Beschuss geriet, desto giftiger waren die
Pfeile in Richtung Berlin. Als Feiglinge wurden deutsche Verbündete
abgestempelt, als lächerliche Sozialarbeiter in Uniform.
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann Berlin einknicken und
bereit sein würde zum Tabubruch: zu kämpfen, zu töten und
schlimmstenfalls getötet zu werden. Doch dazu ist es beim
Riga-Gipfel, der in Wirklichkeit eine Afghanistan-Krisenkonferenz
war, nicht gekommen. Das ist auch gut so.
Die Bundesregierung verdient Respekt für ihre Standhaftigkeit. Zumal
jeder weiß, dass das nordatlantische Bündnis ein US-dominiertes
Projekt ist und die Amerikaner am lautesten nach Truppen für
Südafghanistan rufen. US-Präsident Bush, dem die Wähler daheim einen
schmerzhaften Denkzettel verpassten, kann mit dem Ergebnis des
Riga-Gipfels nicht zufrieden sein. Dass die Allianz nun eine
Kontaktgruppe ins Leben ruft, mag die Abstimmung unter den Nationen
vor Ort sicherlich erleichtern. Und die Kommandeure werden künftig
flexibler reagieren können, weil drei Länder zusätzliche Soldaten
nach Kandahar schicken und obendrein eine Reihe von Beschränkungen
fallen.
Aber eine Garantie für einen Sieg über die fanatischen und
unberechenbaren Taliban ist dies keinesfalls. Wie es in deutschen
Regierungskreisen heißt, seien die Gespräche in Riga frei von Polemik
und Anklagen gewesen. Das klingt ausgesprochen nett. Trotzdem
verbreitet Riga 2006 eine Harmonie, die sich als höchst trügerisch
erweisen könnte. Wenn die Staats- und Regierungschefs abgereist und
die roten Teppiche eingerollt sind, holt die Truppen in Afghanistan
nämlich schnell der graue Alltag ein. Wenn Amerikaner, Briten und
Kanadier weiterhin mehr Opfer bringen als die Verbündeten, dürften
alte Diskussionen schnell wieder aufleben.
Die Standhaftigkeit der Deutschen, sie wird dann erneut auf eine
schwere Probe gestellt werden. Die Bundeskanzlerin hat in Riga zwar
deutlich gemacht, dass deutsche Soldaten ihren Verbündeten im Süden
selbstverständlich in Notfällen und für begrenzte Zeit zur Hilfe
eilen werden. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und im
Grunde auch nichts Neues.
Allerdings sind derartige Hilferufe an die Adresse Berlins bislang
offenbar nie erfolgt. Ob sich das nun ändern wird? Wohl kaum. Deshalb
ist auch mit einer dauerhaften Stationierung deutscher Kampftruppen -
quasi durch die Hintertür - nicht zu rechnen. Die Bundeswehr wird im
Notfall ein Dutzend Fernmeldetechniker, Flugzeuge und Sanitäter in
den Süden entsenden, aber eben keine kämpfende Truppe. Riga hat an
der unglücklichen Arbeitsteilung - hier Kämpfer, dort Aufbautrupps -
wenig geändert. Deshalb könnte sich Rigas Signal der Geschlossenheit
als ein sehr schwaches erweisen.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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