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WAZ: Grenzen eines Staatsoberhauptes: Ärger über den Bundeshorst - Kommentar von Ulrich Reitz

Geschrieben am 23-11-2006

Essen (ots) - Was darf ein deutscher Präsident? Darf er sich mit
der Wucht einer meterhohen amerikanischen Landmaschine ins Feld
stürzen, um niederzumähen, was sich ihm entgegenstellt? Oder ist er
nicht viel mehr als eine Art Ersatzkaiser verpflichtet, aufs bloße
Staatsmännische, auf die salbungsreiche Geste der Unverbindlichkeit?
Die Wahrheit liegt in der Mitte.

Selbstredend ist es ungewöhnlich, wenn Horst Köhler zu einer
arbeitsmarktpolitischen Kleinigkeit wie dem Alg I Stellung bezieht.
Genau genommen hat er hier nichts verloren, ist es doch Sache von
Parlament und Regierung, über derlei Dinge zu befinden. Richtig ist
auch die alte Weisheit, wonach derjenige, der sich in die Küche
begibt, auch die Hitze aushalten muss. Würde der Bundespräsident sich
täglich zu einem aktuellen Thema einlassen, dann würde er auf eine
nicht akzeptable Art sein Amt beschädigen. Denn von der Konstruktion
her steht der Präsident aus gutem Grund als Staatsoberhaupt über den
Parteien.

Freilich verhält es sich mit der Diskussion um das Alg I anders.
Längst hat sie eine grundsätzliche Dimension erreicht. Inzwischen
geht es auch um die Richtung der Politik: Mehr umverteilender und
fürsorgender Sozialstaat oder weiter mit eher liberalen Reformen. Vor
diesem Hintergrund verwundert Köhlers Einmischung nicht. Der Mann war
immer schon ein liberaler Ordnungspolitiker, einer der wenigen zumal,
der in der Lage ist, politische Einzelentscheidungen auf ihren
grundsätzlichen Kern zurückzuführen. Nichts anderes hat Köhler in
seiner Reaktion auf Rüttgers getan.

Und in der Sache ist Köhlers Einwand allzu berechtigt. Die
wirtschaftliche Vernunft gegen ein bloßes Gerechtigkeitsgefühl zu
verteidigen, das wäre eine größere Debatte wert. Umso mehr verwundert
doch, wie sich die Größen der Union vor dem Präsidentenwort ins
Unverbindliche flüchten. Vor ihrem Parteitag am Wochenende geht es
der Union vor allem um ihre Ruhe.

Präsidenten haben nur wenige Machtmittel. Ihr größtes ist das
Wort. Wollen sie ernstgenommen werden, kommen sie ohne Provokationen
nicht aus. Diese haben umso mehr Wirkung, je stärker sie sich an die
eigene Partei richten. Richard von Weizsäckers Rede zum 8. Mai 1945
war eine Provokation für die CDU, Johannes Raus Hinweis auf die
Illusion der Multikulturalität löste bei den Linken Befremden aus. Es
sind solche Einmischungen, von denen die Demokratie lebt. Insofern
liegt Köhler mit seiner Mahnung, auf liberalem Reformkurs zu bleiben,
richtig.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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