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LVZ: Vertretbar

Geschrieben am 16-11-2006

Leipzig (ots) - Von André Böhmer
Am Fall des Marokkaners Mounir el Motassadeq lassen sich exemplarisch
die Stärken und Schwächen des Rechtsstaats im Kampf gegen den Terror
festmachen. Zunächst gab es im Februar 2003, knapp anderthalb Jahre
nach den Anschlägen vom 11. September auf das World Trade Center,
weltweit das schnellste Urteil gegen einen mutmaßlichen Helfer der
Attentäter. Das freute zwar Hardliner wie den damaligen Innenminister
Otto Schily. Außer dem zeitlichen Superlativ hatte das Urteil aber
nur wenig Substanz. Es war rechtlich leicht auszuhebeln, weil der
mutmaßliche Chefplaner Binalshibh von deutschen Richtern in den USA
nicht befragt werden durfte.
Das waren deutliche Mängel, die Motassadeqs Verteidiger in der
Revision als Steilvorlage nutzten. In dubio pro reo, im Zweifel für
den Angeklagten. Auch wenn dieser die Grundpfeiler des bürgerlichen
Wertesystems verachtet - auf die juristische Fairness seiner Gegner
konnte er sich verlassen. Aufhebung der 15-jährigen Freiheitsstrafe
durch den Bundesgerichtshof und Verweis zurück an das Hamburger
Oberlandesgericht. Die zweite Hauptverhandlung nahm den Mordvorwurf
zurück und verringerte das Urteil auf sieben Jahre. Zu wenig, fanden
Generalbundesanwalt und zwei Nebenkläger und legten erneut Revision
ein.
So juristisch verschlungen der Fall Motassadeqs auch sein mag, der
jetzt von den Bundesrichtern getroffene Schuldspruch ist konsequent
und vertretbar. Vor allem beweist er, dass der Rechtsstaat sich
außergewöhnlicher Straftaten - wie der massenhaften Beihilfe zum Mord
und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung - auch
mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren kann. Das hebt
sich wohltuend von Internierungslagern wie Guantanamo ab, wo die USA
mutmaßliche, aber nicht verurteilte Terroristen inhaftieren.
Die drastische Verschärfung des Urteils gegen den Marokkaner ist
solide begründet. Demnach muss sich Motassadeq bewusst gewesen sein,
dass die vier von ihm unterstützten Terrorpiloten mindestens den Tod
von 246 Flugpassagieren detailliert geplant hatten. Weil nicht
erwiesen ist, dass er alle Pläne genau kannte, konnte er allerdings
auch die Folgen nicht abschätzen. Eine Verurteilung wegen Beihilfe
zum Mord in 3066 Fällen ist demnach vom Tisch.
Die Hamburger Richter müssen jetzt nur noch über das Strafmaß für
Motassadeq befinden. Sie können sich bei ihrem Urteil auf die von den
Bundesrichtern attestierte Beihilfe zum Mord in 246 Fällen stützen.
Eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren ist realistisch, für die
Angehörigen der Opfer eine Genugtuung. Ihre anfangs von Skepsis
geprägte Hoffnung, derartige terroristische Verbrechen mögen mit
rechtsstaatlichen Mitteln gesühnt werden, kann sich erfüllen. Selbst
für den mutmaßlichen Terrorhelfer ist der Rechtsstaat jetzt die
letzte Chance - er kann noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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