LVZ: Leipziger Volkszeitung zum Ärztestreik
Geschrieben am 20-03-2006 |
Leipzig (ots) - Wer heutzutage als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert wird, der sollte vorsichtshalber eine Streichholzschachtel bei sich haben. Sicher ist sicher. Mit Hilfe der kleinen Hölzchen nämlich kann der Assistenzarzt der Unfallchirurgie nach 26 oder 38 Stunden im Dauereinsatz dann wenigstens seine Augen noch aufhalten, bevor er zu den lebensrettenden Schnitten ansetzt. Ob sich dann, ohne Chance auf volle Konzentration, Behandlungsfehler einschleichen, wird so zur Glückssache - für den Patienten: Jeden Tag wieder, für tausende von Kranken in hunderten von deutschen Kliniken. Mancher Arzt ist noch immer auf Station, wenn die Stationsschwester schon wieder, nach angemessener Freizeit, ihren nächsten Dienst antritt. Die deutsche Gesundheitspolitik hat es mit ihren jahrzehntelangen Fehlsteuerungen und ergebnislosem Kostendämpfungs-Aktionismus so weit kommen lassen. Deutschland hat eins der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Die Beitragszahler werden kräftig geschröpft, aber die ärztliche Versorgung entfernt sich immer weiter vom medizinischen Optimum. Deswegen sind die Forderungen der streikenden Ärzte von Uni-Kliniken zu einem guten Teil berechtigt. Sie wollen endlich humane Arbeitszeiten und eine Bezahlung, die sie nicht weiter von ihren Kollegen in anderen Ländern abkoppelt. Zunehmende Auswanderung des teuer ausgebildeten medizinischen Nachwuchses ist die Folge. Im ländlichen Raum wird der Ärztemangel, nicht nur in Krankenhäusern, zum bedrohlichen Dauerzustand. Natürlich: Dreißig Prozent mehr Lohn auf einen Schlag sind utopisch. Aber mit zwei oder drei Prozent mehr Gehalt wird der Klinik-Frieden nicht wieder herzustellen sein, auch wenn Krankenkassen und zuständige Ministerin mögliche Beitragserhöhungen als Drohkulisse aufbauen. Während sich die anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes mit Hilfe der Gewerkschaften kräftig blamieren, weil sie ein paar Minuten mehr Arbeit pro Woche störrisch verweigern, geht es bei den Ärzten oft um deren eigene Gesundheit, die bei immer wiederkehrendem Schlafentzug Schaden nehmen kann. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt liegt deswegen weit daneben, wenn sie die Ärzte ermahnt, sie dürften keine Sonderrolle spielen. Sie wurden von Schmidt und ihren Vorgängern in eine Sonderrolle gedrängt. Ulla Schmidt trägt mit ihren scharfen Tönen gegen die Ärzte wenig zur Deeskalation bei. Ganz im Gegenteil: Während sich ihre Partei, die SPD, im Streik des öffentlichen Dienstes immer deutlicher auf die Seite der Gewerkschaften schlägt, versucht sie im Fall der streikenden Ärzte, die öffentliche Stimmung gegen diese anzuheizen. Alte ideologische Gräben brechen auf. Doch es geht nicht um Sozialneid, sondern um Patientensicherheit. Mit ihrer Stimmungsmache bereitet Schmidt zielgerichtet den Streit über die Gesundheitspolitik vor, der mit hoher Wahrscheinlichkeit nach den Landtagswahlen ausbrechen wird. Dann wird es darum gehen, ob der Wettbewerb im Gesundheitssystem noch eine Chance hat. Oder ob sich die Ministerin durchsetzt und als Folge von staatlich regulierter Einheitsversorgung die Patientenbetreuung weiter leidet - und das schlechte Beispiel überlasteter Klinikärzte überall im Gesundheitswesen Schule macht.
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