(Registrieren)

WAZ: Ärzte-Streik an Uni-Kliniken: Der Patient zwischen Schaden und Profit - Kommentar von Petra Koruhn

Geschrieben am 16-03-2006

Essen (ots) - Ärzte streiken. Der Betrieb an Uni-Kliniken ist auf
SOS gestellt. Nur wenn es um Leben oder Tod geht, greifen sie ein.
Ansonsten: Ärzte streiken. Ärzte wollen mehr Geld? Mit so einer
Forderung hätten Ärzte noch vor gar nicht so langer Zeit ein
(Vor-)Urteil zementiert: Halbgott in Weiß.

Wer jemals im Krankenhaus gelegen hat, revidiert unter Einfluss
der Klinikrealität dieses (Vor-)Urteil sehr schnell. Weil er sieht,
wie hart Ärzte arbeiten müssen. Wenn es stimmt, dass dieser Streik
von der Sympathie der Patienten getragen wird, ist dennoch Vorsicht
geboten: Diese Sympathie ist selten nur Ausdruck von Verständnis,
sondern Resultat einer zutiefst menschlichen Eigenschaft – der Angst.
Dass Patienten der Arbeitsniederlegung positiv gegenüber stehen, hat
damit zu tun, dass sie Sorge haben, einem nicht mehr leistungsfähigen
Arzt in die Hände zu fallen. Diese Angst zeigt die Abhängigkeit der
Kranken – das ist etwas anderes als Sympathie.

Diese Angst wäre unberechtigt, würde das neue Arbeitszeitgesetz
(Bereitschaftsdient ist Arbeitszeit, nicht Freizeit) Anwendung
finden. Der Doktor mit Tag-, Nacht- und wieder Tagschicht im Kittel
hätte sich erledigt. Doch auf Drängen der Kliniken wurde die Regelung
bis 2007 ausgesetzt. Gescheitert, weil es sich nicht machen lässt: 27
000 neue Ärzte würden gebraucht – a) nicht bezahlbar und b) woher
nehmen? Schon jetzt fehlen etwa 5000 Ärzte im Land. Weil sie keine
Lust haben auf 32-Stunden-Schichten, auf massig unbezahlte
Überstunden nach zwölf Jahren Ausbildung.

Ärzte stehen unter Druck. Die neuen Fallpauschalen bedeuten noch
größere Arbeitsintensität: immer mehr, immer schneller. Die Hälfte
der Arbeit sei geblockt durch bürokratische Aufgaben. Es gibt
Kliniken, die diese Aufgaben ausgelagert haben, die Bürokräfte
eingestellt haben. Es gibt sogar Uni-Kliniken – wie die in Freiburg –
die sich von Porsche-Chef Wiedeking über die Schulter gucken ließen,
um die Probleme der Überbelastung mit dem Unternehmerblick anzugehen.
„Banale Dinge” habe man geändert, heißt es. Der Blick von draußen sei
enorm wichtig, um die häufig verfahrenen Strukturen innen zu
verändern und um zu besseren Arbeitsabläufen zu gelangen. Freiburg
hat bundesweit Akzente gesetzt.

Ärzte streiken. Und sind ratlos. Auch sie wissen nicht genau, wie
sich ihre berechtigten Forderungen allgemeinverträglich bezahlen
lassen. Sie betonen, dass alles Lebensnötige getan wird. Man kann
darüber diskutieren, ob es schlimm ist, eine Operation zu verschieben
– aber tausend? Für den Patienten bedeutet jede Operation Stress.
Verschiebungen potenzieren diesen Stress. Streikführer sagen, dass
man sich ja woanders operieren lassen könne. Dadurch verliere die
Uni-Klinik Geld, die andere Klinik profitiere. Der Patient als Mittel
im Arbeitskampf, zwischen Schaden und Profit. Wenn es eine Moral gibt
im Streik, dann wird sie – spätestens – hier deutlich gebrochen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Rückfragen bitte an:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung

Telefon: (0201) 804-0
Email: zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

3423

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: zu Rentenstreit: Stuttgart (ots) - Die vielen Jahrhundertreformen haben das System nicht sicherer, die Menschen aber unsicherer gemacht. Durch die hohe Arbeitslosigkeit brechen die Einnahmen weg. Das setzt einen Teufelskreis aus steigenden Beiträgen und noch höherer Arbeitslosigkeit in Gang. Aber auch die demografische Entwicklung setzt den Sozialkassen nachhaltig zu. Wenn erst einmal die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird das soziale Netz reißen – eine Faser nach der anderen. Die Frage, wie das System weniger anfällig gegen den Kindermangel mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zur Entscheidung für den Flughafen Schönefeld: Sieg des Gemeinwohls Cottbus (ots) - Das war gestern ein guter Tag für Brandenburg und Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seiner Entscheidung für den Bau des Großflughafens Berlin Brandenburg International (BBI) in Schönefeld das Gemeinwohl über die Interessen Einzelner gestellt, ohne diese ganz unter den Tisch zu kehren. Der BBI wird einmal den großen Drehkreuzen Frankfurt/Main und München Konkurrenz machen. Er wird die Verkehrs-Infrastruktur im Raum Berlin-Brandenburg wesentlich verbessern. Die angestrebten direkten Flugverbindungen zu allen großen mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zur Debatte um Kinderlosigkeit und Rente: Wer sich nicht vermehrt... Cottbus (ots) - Die Prozesse, die sich derzeit in Deutschland und der Welt abspielen, sind derart komplex, dass es manchem Polit-Profi bereits schwer fällt, einigermaßen den Überblick darüber zu bewahren, was da nun wie zusammenhängt. Ein Paradebeispiel liefert die Debatte, die sich an der neuesten Studie zur demographischen Entwicklung entzündet hat. Eine Hand voll Politiker aus der dritten bis siebten Reihe hat sich mit den unvermeidlichen "Experten" zusammengetan und fordert drakonische Strafen für Fortpflanzungsverweigerer. Motto: Wer mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zum Saison-Kurzarbeitergeld am Bau: Eine echte Chance Cottbus (ots) - Das ist mal eine gute Nachricht. Ab dem 1. Dezember 2006 gibt es staatliche Zuschüsse, um die Winterarbeitslosigkeit am Bau zu senken. Dafür haben die Gewerkschaft IG Bau, die Arbeitgeberverbände der Branche, das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesagentur für Arbeit bereits seit dem Winter 2005 hart verhandelt. Vor allem, um sozialen Zündstoff zu entschärfen. Die Zustimmung des Bundestages zum Saison-Kurzarbeitergeld ist ein wichtiger Beitrag dazu. Die Regelung ist so gestrickt, dass sich alle Beteiligten die finanziellen mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Flughafen Berlin-Schönefeld Halle (ots) - Der internationale Großflughafen Berlin-Schönefeld wird bis 2011 gebaut. Und er verspricht für das wirtschaftlich gebeutelte Berlin und die Region Gewinn in mehrerer Hinsicht. Das größte Plus bringt er für Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Nicht zu reden davon, dass große Flughäfen selbst zu einer Jobmaschine werden können. Das hat der Frankfurter Flughafen bewiesen, der die ansässige Chemie- und Automobilindustrie als größter Arbeitgeber längst abgelöst hat. Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Experten befürchten, dass Berlin zehn mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht