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Der Tagesspiegel: Deutsche Abgeordnete aus Migrantenfamilien zu Hessens Einbürgerungstest

Geschrieben am 16-03-2006

Berlin (ots) - Der Einbürgerungstest des hessischen
Innenministeriums stößt bei deutschen Parlamentariern aus
Migrantenfamilien auf ein geteiltes Echo. Die in Istanbul geborene
SPD-Bundestagsabgeordnete Lela Akgün sieht in dem Fragebogen einen
Versuch, die Einbürgerung von Eliten zu fördern. Dabei biete das
bisherige Einbürgerungsrecht ihrer Meinung nach bereits eine
ausreichende Basis - Nachweis von Deutschkenntnissen,
Aufenthaltsdauer und Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Dann sei in
Baden-Württemberg ein Wertetest entworfen worden, jetzt in Hessen ein
Wissenstest. Sie sehe keine Verbindung zwischen "guter Bürger sein"
und viel wissen. Eine Frage wie "was verstehen Sie unter dem Begriff
Reformation und wer hat sie eingeleitet", könnten auch viele Deutsche
nicht beantworten.
Der Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums der CDU, Bülent Arslan,
räumt ein, dass in der jetzigen Form vermutlich auch deutsche
Staatsbürger Probleme mit der Beantwortung einiger Fragen hätten,
spricht aber von einem "gelungenen Fragebogen". Er begrüßt, dass
"anders als in Baden-Württemberg keine Gesinnung, sondern Wissen"
abgefragt werde. Weil aber die "Fragen auf einem sehr hohen Niveau
seien", müssten die Migranten vor den Test geschult werden. "Dadurch
lernen die Leute automatisch mehr über Deutschland", sagt er.
Josip Juratovic, SPD-Bundestagsabgeordneter und im kroatischen
Koprivnica geboren, kam als 15-Jähriger nach Deutschland. Er
bemängelt fehlende Sensibilität gegenüber Einwanderungswilligen. Die
Fragebögen seien der Versuch, einbürgerungswillige Menschen unter
Generalverdacht zu stellen. Grundsätzlich habe er nichts einzuwenden
gegen einen Wissens- und Wertetest. Aber dies müsse sensibler
geschehen und dürfe nicht wie ein Gesinnungstest ablaufen.
Der Europaabgeordnete der Liberalen, Jorgo Chatzimakarkis, dessen
Vater aus Griechenland stammt, weist darauf hin, dass der hessische
Text sich an US-amerikanischen, kanadischen und australischen
Fragebögen orientiert. Diese Orientierung an klassischen
Einwanderungsländern sei eine späte Anerkennung der Tatsache, dass
auch Deutschland ein Einwanderungsland ist. Kritik übte er an der
Akzentsetzung des Tests, die er für "leicht falsch gesetzt" hält. Das
Erlernen der Sprache sei für die Integration von überragender
Bedeutung, das komme in dem Test zu kurz. Auch brauche jeder
Neubürger einen Grundrahmen an Wissen, vor allem über die
Verfassungswerte. Insgesamt jedoch stimme die Richtung, sagt der
FDP-Politiker. Denn eine neue Staatsbürgerschaft zu bekommen sei
mehr, als sich einen neuen Mantel anzuziehen.
Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, hält den
hessischen Fragebogen ähnlich wie den Gesprächsleitfaden in
Baden-Württemberg für "Wahlkampf und Stimmungsmache". Denn für die
türkischstämmige Politikerin die sich erst vor einigen Jahren selbst
einbürgern ließ, ist die Diskussion über strengere Kriterien zur
Einbürgerung eine "Scheindebatte": Schon jetzt gebe es die deutsche
Staatsbürgerschaft "beileibe nicht zu Ramschpreisen"; Sprach- und
Integrationskurse würden bereits "Werte und Wissen" vermitteln. Der
Wahlkampf, so Dagdelen, dürfe "nicht auf dem Rücken von Migranten
geführt werden". Der hessische Fragenkatalog aber, der unter anderem
die Nennung von vier verfassungsmäßig garantierten Grundrechten oder
die Definition von Bürgerinitiativen verlangt, fordert ihrer Ansicht
nach von Einbürgerungswilligen das, was viele Deutsche selbst nicht
leisten könnten. "Wir können doch nicht von anderen erwarten, dass
sie besser sind als wir selbst", sagt Dagdelen.

Originaltext: Der Tagesspiegel
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=2790
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_2790.rss2

Rückfragen bitte an:
Der Tagesspiegel
Chef vom Dienst
Thomas Wurster
Telefon: 030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
thomas.wurster@tagesspiegel.de


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