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LVZ: Normalität

Geschrieben am 01-10-2006

Leipzig (ots) - Von André Böhmer
Lobreden, Mahnungen und Umfragen: Das Gefühlsbarometer schwankt
zwischen Skepsis und Optimismus. Auch 16 Jahre nach der Einheit sind
sich die Deutschen noch nicht einig. Wächst da zusammen was
zusammengehört? Oder werden da zwei unterschiedliche Hälften auf ein
Raster getrimmt? Ist das Glas halb voll? Oder doch halb leer? Fragen,
die den politischen Diskurs rund um den Feiertag beherrschen.
Die Deutschen frönen mal wieder ihrem liebsten Hobby - der
Beschäftigung mit sich selbst. Auffällig ist allerdings, dass es
außerhalb offizieller Gedenkveranstaltungen wenig Aufregung um diesen
Tag gibt. Das kann auch ein gutes Zeichen sein. Der Einheitstag als
ein Stück gelebte Normalität. Nicht mal die Plaudertasche der Nation
verspürt Diskussionsbedarf. Sabine Christiansen ist das Einknicken
der Deutschen vor dem Islam wichtiger als der immer wieder gern
zitierte Mentalitätsunterschied zwischen Ost und West. Da liegt die
Talk-Lady nicht falsch.
Denn das 16. Jahr der Einheit wird in die Geschichte eingehen als ein
Jahr der Annäherung. Im Sommer schwappte der WM-Jubel durch ein
euphorisches Land, das sich zunächst selbst nicht wiedererkannte.
Ost? West? Es spielte keine Rolle, wo gefeiert wurde. Die
schwarz-rot-goldene Party fand ohne Unterschiede statt. Kein Grübeln,
kein Zweifeln, stattdessen mediterrane Leichtigkeit in der Heimat der
Grübler und Zweifler. Ein emotionaler Steilpass, den die Politik
anschließend vertändelte. Statt Aufbruch koalitionäres Klein-Klein -
das war und ist das Problem, ein gesamtdeutsches, versteht sich.
Der kollektive Gefühlsausbruch in den WM-Tagen hat gezeigt, welche
Potenziale in diesem Land stecken. Und dass die innerdeutsche
Annäherung ohne Sonntagsreden und politische Beschwörungsformeln zum
Selbstläufer wird - wenn alle vom Ziel überzeugt sind. Dass es daran
gesamtgesellschaftlich mangelt, muss sich die Politik ankreiden
lassen.
Im Alltag sind die Deutschen mit dem Zusammenwachsen schon ein Stück
weiter. Die Klischees vom Jammer-Ossi und Besser-Wessi sind zwar noch
nicht verschwunden, aber längst angestaubt und merklich weniger im
Umlauf. Ideologische Grabenkämpfe drehen sich jetzt eher darum, ob es
sich auf Rügen oder auf Föhr schöner Urlaub machen lässt. Und wenn
Deutschlands erfolgreichster Entertainer - wie am Sonnabend in
"Wetten, dass...?" - die Heimatorte von Thomanern und Kreuzchor
verwechselt, sei es ihm vergeben. Soviel Kulanz zeigen mittlerweile
die meisten Sachsen.
Selbst die PDS geht nicht mehr als Gespenst einer rein ostdeutschen
Protestpartei um. Sie bildet jetzt als vereinigte Linke das
bundesweite Sammelbecken für den Frust auf Regierung und Wirtschaft.
Beim morgigen Tag der Einheit dürfte sie aber wirklich nichts zum
Meckern haben. Schließlich bringt er auch Arbeitnehmern was - durch
den heutigen Brückentag jede Menge Freizeit und ein verlängertes
Wochenende. Für viele der wichtigste Grund, sich darauf zu freuen.
Warum auch nicht, ist ja schließlich ganz normal.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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