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Westdeutsche Zeitung: Die Atomproteste sind kein gutes Indiz für unsere Demokratie - Lächelnde Sonne und allmächtige Richter Von Martin Vogler

Geschrieben am 19-09-2010

Düsseldorf (ots) - Wollen wir gleich die Regierung abschaffen und
die Richter in Karlsruhe über die Politik in Deutschland entscheiden
lassen? Darauf wird es nämlich auch bei der Atomfrage hinauslaufen,
wenn SPD-Chef Gabriel das neue Gesetz der schwarz-gelben Koalition
per Eilantrag zu kippen versucht. Er strebt damit keine
parlamentarische, sondern eine juristische Lösung an. Was den fatalen
Trend verstärken wird, dass das Bundesverfassungsgericht der Politik
immer mehr Grenzen zeigt und sie mit neuen Arbeitsaufträgen zurück
ins Alltagsgeschäft schickt. Ideale Demokratie stellt man sich anders
vor.

Andererseits nutzt Gabriel, durch die am Wochenende neu formierte
Anti-Atom-Bewegung beflügelt, seine streng genommen einzige Chance,
die Atompolitik wirklich zu beeinflussen. Denn wenn die Regierung das
Gesetz wie geplant ausschließlich vom Bundestag absegnen lässt, kann
die Opposition zwar dagegen wettern, wird aber wegen der für sie
ungünstigen Mehrheitsverhältnisse nichts ausrichten. Also wird sie
weiterhin mit allen Mitteln versuchen, im Bundesrat über die
Verlängerung der Laufzeiten von Kraftwerken debattieren und abstimmen
zu können.

Gleichzeitig dürfte die Opposition der Regierung mit dem Druck der
Straße das Leben noch schwerer machen. Zumal die rot lächelnde Sonne
der Atomkraftgegner an diesem Wochenende einen Bedeutungswandel
erfahren hat. Der Protest ist weniger idealistisch und weltfremd als
früher. Viele Menschen des sogenannten bürgerlichen Lagers sind ob
einer bis zu 14 Jahren verlängerten Laufzeit von Kraftwerken und der
offenen Endlager-Frage ehrlich besorgt. Die unglückliche
Kommunikationsstrategie der Regierung der vergangenen Wochen hat
deren Bedenken sogar verstärkt.

Es ist taktisch gesehen verständlich, aber auch ein durchsichtiges
Manöver, dass sich sämtliche Oppositionsparteien der Protestbewegung
anschließen. Doch wenn SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sich
darüber freut, dass Leute auf die Straße gehen und das als gutes
Zeichen für die Demokratie wertet, ist das zumindest zweischneidig.
Denn heftiger Bürgerprotest ist ja oft ein Indiz dafür, dass unsere
parlamentarische Demokratie nicht richtig funktioniert. Und Nahles
ist ein Teil von ihr.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211 / 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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