BERLINER MORGENPOST: Nicht nur Recht, auch gerecht - Leitartikel
Geschrieben am 06-09-2010 |
Berlin (ots) - Was ist unserer Gesellschaft Zivilcourage wert? Im
Fall um den gewaltsamen Tod des Münchner Geschäftsmannes Dominik
Brunner vor knapp einem Jahr hat das Münchner Landgericht jetzt eine
Antwort gegeben: Wer einen Menschen zu Tode bringt, der andere
schützen will, ist ein Mörder. Die Richter haben all die Einwände
gegen eine Bewertung der Tat als Mord verworfen. Ob Brunners
unerkannte Herzerkrankung oder die Tatsache, dass er als Erster
zuschlug - es half den Angeklagten nicht. Die Vehemenz der dem
Prozess vorangegangenen Diskussion war auch eine Folge des makellosen
Heldenbildes, das sich die Öffentlichkeit - sekundiert von einem
voreiligen Staatsanwalt und wenig reflektierten Medienberichten -
unmittelbar nach der Tat geschaffen hatte. Solche Gewissheiten, das
hat die Verhandlung noch einmal gezeigt, haben vor Gericht keinen
Bestand. Weil es im Gerichtssaal um Menschen geht, nicht um Bilder.
Das Münchner Landgericht zeigte sich von der Diskussion indes
unbeirrt. Sein Urteil ist deswegen nicht nur Recht, sondern auch
gerecht. Es basiert auf zwei Feststellungen. Erstens: Kein Täter hat
Anspruch auf ein gesundes Opfer. Zweitens: In Notwehr kann auch ein
Verteidigungsschlag gerechtfertigt sein. Für die Familie des
getöteten Managers Brunner, die seine posthume Mystifizierung nie
gewollt hat, bedeutet der Richterspruch eine Rehabilitierung des
Andenkens an ihren Sohn. Aber auch als Signal an die Gesellschaft ist
das Urteil nicht zu unterschätzen. Zivilcourage, einer der Garanten
für eine funktionierende Wertegemeinschaft, ist ein kostbares, ein
seltenes Gut. Wir sollten jene ehren, die diesen Mut ohne staatlichen
Auftrag und selbst um den Preis ihrer Unversehrtheit fassen. Dominik
Brunner hat mit seiner selbstlosen Tat Standards gesetzt. Es kann
niemandem abverlangt werden, sein Leben für andere zu riskieren. Aber
es gibt auch keine Entschuldigung mehr, im Notfall wegzusehen. Ein
Anruf bei der Polizei oder der Versuch, unter anderen Zeugen
Verstärkung zu finden - es gibt immer Möglichkeiten der Hilfe, ohne
sich direkt in Gefahr zu bringen. Wenn wir das als Lehre aus dem Fall
Brunner begreifen, dann war sein Tod nicht umsonst. Aber wie sollen
wir nun mit jugendlichen Gewalttätern umgehen? Auch darauf hat das
Münchner Landgericht im Fall Brunner eine Antwort gegeben: Sie
gehören hart bestraft, aber dennoch sollte man ihnen noch eine Chance
zur Entwicklung geben. Die Richter haben beide Angeklagte nach dem
Jugendstrafrecht verurteilt, auch den zur Tatzeit bereits
volljährigen Haupttäter Markus S. Wäre er nach dem
Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, hätte er "lebenslänglich"
hinter Gittern gehen müssen. Nun sind es neun Jahre und zehn Monate.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2
Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
287827
weitere Artikel:
- Mitteldeutsche Zeitung: zum Brunner-Urteil Halle (ots) - Das Gericht hat auch ein klares Signal gesetzt: Wer
einen auf dem Boden liegenden, wehrlosen Menschen derart brutal
zusammentritt, muss mit dem Tod des Opfers rechnen - und mit einer
Verurteilung wegen Mordes. Rein juristisch mag das streitbar sein -
die Verteidiger bezweifeln eine Mordabsicht der Täter und kündigen
Revision an. Aber die Botschaft ist klar: Kein Pardon, keine Ausreden
für brutale Gewalt - damit die nicht Schlag für Schlag zum
gesellschaftlichen Alltag wird - und dass der Staat hinter seinen
Bürgern mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Urteil im Brunner-Prozess Juristisch wackelig RALF MÜLLER, MÜNCHEN Bielefeld (ots) - Bei aller Genugtuung für die Bestrafung einer
monströsen Tat bleibt im Brunner-Prozess der Verdacht einer
populistischen Rechtsprechung. Der öffentlichen und veröffentlichten
Meinung sowie der Erwartungshaltung der größten in Bayern regierenden
Partei kam die Münchener Jugendstrafkammer mit ihrem harten Urteil
gegen die beiden Schläger vom S-Bahnhof München Solln ohne weiteres
nach. Ob es auch den Buchstaben des Gesetzes gerecht wird, ist aber
zweifelhaft. Keine Frage: Gegenüber den brutalen jugendlichen
Straftätern mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Debatte um Ausschluss Thilo Sarrazins SPD auf Abwegen THOMAS SEIM Bielefeld (ots) - Die SPD ist die Partei der Freiheit. Ihre fast
150 Jahre Geschichte zeugen vom Kampf für das Selbstbestimmungsrecht
der Menschen. Gerade die SPD ist die Partei des politischen Streits.
Gleichwohl tut sie sich derzeit schwer mit ihrem Mitglied Thilo
Sarrazin. Der vertritt eine Reihe wirrer Thesen und hat sich gerade
in jüngster Zeit nicht immer trittsicher gezeigt, wenn es darum ging,
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zu meiden. Die SPD will
Sarrazin nun ausschließen. Aber entspricht das der freiheitlichen mehr...
- Neue Westfälische (Bielefeld): Widerstand gegen die Atompläne der Koalition Ausstieg aus dem Ausstieg PETER JANSEN, DÜSSELDORF Bielefeld (ots) - Mit dem Berliner Atomkompromiss ist der Streit
um die künftige Energiepolitik nicht beendet, er wird nur auf eine
andere Ebene verlagert. Jetzt sitzen die Widersacher der
Bundesregierung in den Ländern und sie haben gute Argumente und
wirksame Instrumente, um die Pläne von CDU,CSU und FDP zu
durchkreuzen. Neben Sicherheitsaspekten und der völlig ungelösten
Endlagerfrage spricht gegen den Kompromiss, dass der versprochene
schnelle Zuwachs an erneuerbaren Energien durch die erheblich längere
Verfügbarkeit von Atomstrom mehr...
- Rheinische Post: Mehr Atommüll - kein Endlager Düsseldorf (ots) - Ein Kommentar von Rainer Kurlemann:
Die wortreiche Beschreibung des Atomkompromisses sparte nicht mit
Superlativen. Die Kanzlerin spricht von einer "Revolution im Bereich
der Energieversorgung", ihr Wirtschaftsminister gar vom "Beginn einer
neuen Zeitrechnung". Sie benötigen und loben die Atomkraft als
Brückentechnologie bis zu dem Zeitpunkt, wenn alternative Energien
ausreichend zur Verfügung stehen. Es wäre ehrlich gewesen, wenn diese
Euphorie von einer klaren Feststellung begleitet worden wäre: Mit der
Verlängerung mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|