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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Sicherungsverwahrung

Geschrieben am 26-08-2010

Bielefeld (ots) - Die schwarz-gelbe Koalition hat eine Baustelle
weniger. CDU-Innenminister Thomas de Maizière und
FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger haben sich
nun doch auf eine Neuregelung der Sicherungsverwahrung geeinigt.
Ausschlaggebend für den Kompromiss war jedoch nicht politische
Eintracht, sondern massiver öffentlicher Druck. 80 als gefährlich
geltende Schwerverbrecher, die nach der juristischen Schlappe
Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus
der Sicherungsverwahrung entlassen werden könnten (und 13, die es
schon sind): Das macht den Menschen Angst. Die Lösung: Risikotäter
sollen nach Verbüßung ihrer Strafe nicht mehr im Gefängnis, sondern
in neu zu schaffenden Einrichtungen unter »haftähnlichen Bedingungen«
weggesperrt werden. Wo ist denn da der Unterschied, fragt sich Otto
Normalbürger. Doch die Juristerei ist nun einmal eine komplizierte
Sache: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das bislang
praktizierte Modell der nachträglichen Sicherungsverwahrung als
verbotene Zusatzstrafe abgeschmettert - ein Rechtskonstrukt, das
bereits vor dem Urteil umstritten war. Keinesfalls aber hat der
Gerichtshof damit jeglichen Schutz vor Risikotätern unmöglich
gemacht. »Wer das Urteil genau liest, kann durchaus Spielräume für
den Gesetzgeber erkennen«, schlussfolgerte der Regensburger
Strafrechtsexperte Prof. Dr. Henning Ernst Müller bereits im Mai. Die
schwarz-gelbe Koalition hat drei Monate mehr benötigt, um diese
Erkenntnis zu teilen. Fraglich bleibt, ob die angekündigte
Neuregelung so praxistauglich ist, wie es die beiden Minister
versprechen. Der gesunde Menschenverstand mag der Unterstellung
folgen, dass rückfallgefährdete Sextäter stets psychisch gestört sein
müssen. Der Beweis, dass Gerichte und vor allem Gutachter das auch so
sehen werden, steht allerdings noch aus. Ebenso unklar bleibt, ob auf
der Grundlage der Neuregelung tatsächlich alle bereits freigelassenen
Risikotäter wieder hinter Schloss und Riegel kommen - und wann. Die
juristische Flickschusterei wird die Versäumnisse der Vergangenheit
nur zum Teil reparieren können. Dabei gibt es ernstzunehmende
Vorschläge, wie solche Schlappen zu verhindern wären. Kay Nehm,
ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof und Ex-Generalbundesanwalt,
hat den Weg aufgezeigt: Der Gesetzgeber brauche doch nur anzuordnen,
dass bei bestimmten Sexualdelikten die Möglichkeit der anschließenden
Sicherungsverwahrung grundsätzlich ins Urteil aufgenommen werde.
»Dann wüsste auch der Verurteilte, woran er ist. Die drohende
Sicherungsverwahrung wäre ihm ständige Mahnung, aktiv an der
Verwirklichung des Vollzugsziels mitzuarbeiten«, meint Nehm. Warum
nur hört niemand auf ihn?

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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