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Landeszeitung Lüneburg: Landeszeitung Lüneburg: Niedersachsens Tafelsilber zu verkaufen, statt rigide zu sparen, war richtig, um soziale Proteste wie in Griechenland zu verhindern, sagt Wirtschaftsmin

Geschrieben am 13-08-2010

Lüneburg (ots) - Sie wollen Sportwetten und Glücksspiel
liberalisieren. Braucht Niedersachsen so dringend neue
Konzessionseinnahmen?

Jörg Bode: Nein, hierbei handelt es sich um die grundsätzliche
Frage der Reglementierung des Glücksspiels. Diese ist bereits 2007
bei Abschluss des Staatsvertrages aufgeworfen worden. Damals wurde
eine Übergangsregelung für die Dauer von vier Jahren verabredet, die
nach Ablauf neu geregelt werden sollte - und zwar dann unter der
Prämisse der Suchtprävention.

Bisher sind private Sportwetten verboten. Dennoch setzt der Markt
Milliarden um. Wäre es nicht sinnvoller, geltendes Recht
durchzusetzen, statt es zu verwässern?

Bode: Wir haben ja nun drei Jahre miterlebt, dass der
Glücksspiel-Staatsvertrag in diesem Bereich nicht gewirkt hat. Es
existiert ein gigantischer Schwarzmarkt, der die Idee der
Suchtprävention komplett konterkariert. Wer wetten will, kann das
auch tun. Diese Lage ist weder aus fiskalischer Sicht
zufriedenstellend noch beugt das der Spielsucht vor. Deshalb bedarf
es hier dringend einer Neuregelung. Mir schwebt ein reglementierter
Markt mit einem Konzessionsmodell vor.

Wie würde in diesem reglementierten Markt Suchtprävention
umgesetzt?

Bode: Sämtliche Anbieter müssten sich vor der Konzessionsvergabe
mit ihren Konzepten zur Suchtprävention beweisen. Darunter wären
viele Anbieter, die bisher über das Ausland Sportwetten schwarz in
Deutschland anbieten. So könnte verhindert werden, dass diejenigen,
die spielen wollen, mangels adäquater Angebote auf den Schwarzmarkt
gedrängt werden. Im staatlichen Wettangebot fehlen moderne Varianten,
die aber nachgefragt werden, etwa beim Fußball zur Halbzeit auf ein
Spiel zu wetten. Deshalb greifen viele Anbieter im nicht
reglementierten Markt große Anteile ab - Suchtprävention findet hier
aber überhaupt nicht statt.

Ebnet eine Liberalisierung dieses Marktes nicht der Wettmafia den
Boden?

Bode: Dafür gibt es keine Hinweise. Der Berliner
Fußballbestechungsskandal spielte sich ja beim staatlich
reglementierten, öffentlichen Sportwettenanbieter Oddset ab.

Ziehen Sie mit ihrem Vorstoß mit Schleswig-Holstein an einem
Strang?

Bode: Von der inhaltlichen Ausrichtung her: Ja. Das Lottomonopol
soll unangetastet bleiben, der Internetbereich geöffnet und das
Werbeverbot gelockert werden. Grundsätzliches Ziel bleibt aber eine
Einigung aller 16 Bundesländer.

Stichwort norddeutsche Zusammenarbeit: Hat Niedersachsen zum
falschen Zeitpunkt auf den Jade-Weser-Port gesetzt? In der Krise
brach der Handel erheblich ein.

Bode: Nein. Es kann bei Großprojekten wie diesem mit einer
Planungsphase von einem Jahrzehnt aber passieren, dass es
zwischenzeitlich Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwicklung
gibt. Niemand hat diese Krise vorausgesehen. Richtig bleibt die
damalige Einschätzung, dass es einen großen Markt für den
Containerumschlag gibt. Und der Welthandel wird sich wieder erholen.
Deshalb wird das Jahrhundertprojekt Jade-Weser-Port ein Erfolg
werden. Chinesische Reeder haben der Bundeskanzlerin bei ihrer
letzten Peking-Reise gesagt, dass sie bereits jetzt große Probleme
haben, mit ihren Containerriesen Hamburg zu erreichen. Wilhelmshaven
ist also zum einen für die Schiffsgiganten mit großem Tiefgang eine
Alternative. Zum anderen ist der Jade-Weser-Port eine
Ausweichmöglichkeit für die Schiffe, die in Rotterdam viel zu lange
warten müssen.

Wäre eine nationale Hafenpolitik nicht sinnvoller angesichts der
Rotterdamer Konkurrenz statt eines Wettbewerbs zwischen Wilhelmshaven
und Hamburg?

Bode: Es gibt eine Zusammenarbeit der norddeutschen Bundesländer
im Bereich Hafenpolitik und ein nationales Hafenkonzept, in dessen
Umsetzung wir uns derzeit befinden. Mit Hamburg etwa gibt es große
Fortschritte bei Kooperationen im Bereich Gewerbeflächenvermarktung
und Gewerbeansiedlung. Die Zusammenarbeit von Niedersachsen und
Bremen mit Hamburg geht weiter als in der Öffentlichkeit wahrgenommen
wird. Es ist derzeit so, dass wir versuchen, unsere maritimen
Cluster-Projekte aufeinander abzustimmen und unsere maritime Politik
noch besser zu koordinieren. Mein Vorvorgänger als
Wirtschaftsminister Walter Hirche nannte das seinerzeit die Idee
einer "neuen Hanse".

Ohne den Verkauf von Tafelsilber hätte die Koalition in Hannover
bei ihrer Sparklausur die Deckungslücke nicht geschlossen gekriegt.
War der Rotstift stumpf?

Bode: Nein, denn wichtig ist immer, ein gesundes Mittelmaß zu
finden. Schließlich müssen wir die Bürger mitnehmen. Ich möchte weder
in Niedersachsen noch in Deutschland griechische Verhältnisse mit
sozialen Protesten auf der Straße. Die Politik ist in der Pflicht zu
erklären, warum sie etwas macht und dabei einen maßvollen Weg zu
finden. Und das hat bei der Sparklausur funktioniert, wie man an den
Reaktionen sieht: Eine Seite - der Bund der Steuerzahler - sagt, wir
hätten viel zu wenig gekürzt. Sozialverbände und Gewerkschaften sagen
dagegen, wir hätten das Land kaputt gespart. Es spricht viel dafür,
dass irgendwo in der Mitte die Wahrheit liegt und dort in der Mitte
befindet sich der richtige Weg bei der Konsolidierung - und da stehen
wir.

Was aber, wenn Ihre Luftbuchungen platzen? Die Kapitalmarktzinsen
können steigen, die Löhne höher steigen als die angenommenen ein
Prozent pro Jahr.

Bode: Wir haben keine Luftbuchungen in dem Konzept. Die
Kapitalmarktzinsen wurden auf dem Niveau eingerechnet, das wir
zurzeit wirklich haben. Eine Großanleihe haben wir zu diesen
Konditionen platziert und müssen sie natürlich auch zu diesen
Zinssätzen einbuchen. Zudem ist erkennbar, dass unsere Annahmen über
die weitere Entwicklung der Zinsen realistisch sind. Die von uns
angestrebten Verkaufserlöse sind ebenfalls erreichbar.

750 Millionen Euro in drei Jahren halten Sie für realistisch?

Bode: In den vergangenen Jahren mussten wir zum Glück wenig
Landeseigentum veräußern. In der aktuellen Situation brauchen wir
aber einen vernünftigen Mix aus Sparen, Einnahmeverbesserung und
Vermögensveräußerung. Im Rahmen dieses Mixes sind die angestrebten
Verkaufserlöse angemessen.

Ist es ein gefährliches Signal, Anteile an VW zu verkaufen? Es
könnte der Eindruck entstehen, dass symbiotische Verhältnis zum Land
ist endlich.

Bode: Zunächst haben wir eine Vermögensaktivierung beschlossen,
nicht den Verkauf von VW-Anteilen. Dieser wäre eine Option, falls wir
einmal einen Aktienanteil von über 21 Prozent besitzen, das ist aber
nicht zwingend. Das Land wird aber seinen Anteil nicht unter die
heutigen 21 Prozent senken.

Im Bildungswesen sollen 105 Millionen Euro gespart werden. Wie
verträgt sich das mit der Pflege des einzigen Rohstoffs, über den wir
verfügen - Bildung?

Bode: Es muss in jedem Bereich nach Optimierungspotenzial gesucht
werden. Dass der Haushaltsansatz reduziert wird, heißt ja nicht, dass
der Output in der Bildung im gleichen Maße reduziert wird. Bei einem
Bildungsetat von mehreren Milliarden Euro hat der noch zu ersparende
Betrag eine relativ geringe Größenordnung.

Wie verträgt sich die Erhöhung der Grunderwerbssteuer mit der oft
propagierten Förderung der Familien?

Bode: Wir haben bei der Grunderwerbssteuer eine Erhöhung auf das
Niveau unserer norddeutschen Nachbarländer vorgenommen. Einige
Bundesländer planen sogar eine noch kräftigere Erhöhung der
Grunderwerbssteuer. Die einprozentige Erhöhung der Steuer schlägt ab
nächstem, Jahr gemessen an den Gesamtkosten bei einem Hauskauf, in
sehr geringem Maße zu Buche. Sollte der Hauskauf einer jungen Familie
an dieser Frage scheitern, würde ich als gelernter Bankkaufmann
empfehlen, lieber noch ein bisschen zur Miete zu wohnen und über
einige Jahre Eigenkapital anzusparen. Das Interview führte Joachim
Zießler

Originaltext: Landeszeitung Lüneburg
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65442
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65442.rss2

Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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