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BERLINER MORGENPOST: Keine Angst vor der Landkarte der Zukunft - Leitartikel

Geschrieben am 10-08-2010

Berlin (ots) - Die Endlos-Straßenbilder von Google - "Street View"
(Straßenansicht) genannt - gibt es seit drei Jahren. Auf ihnen kann
man aus der Fußgängerperspektive die besiedelte Welt erkunden, seit
kurzem auch Hongkong. Nach langem Streit soll der Google-Dienst im
November ebenfalls in Deutschland freigeschaltet werden - aber mit
einer Zusatzfunktion, die Google nirgendwo sonst anbietet. Bei uns
darf jeder Computernutzer per Knopfdruck Widerspruch gegen die
Abbildung seines Hauses einlegen. Betätigt auch nur ein einziger
Mieter den Knopf, muss ein Vielparteien-Mietshaus unkenntlich gemacht
werden. Das Widerspruchsrecht per Knopfdruck gilt als großer Sieg des
Rechtsstaats. Aber es ist ein riskanter Sieg. Ein solches
unbegrenztes privates Einspruchsrecht läuft auf das Totalverbot von
privaten Fotos im öffentlichen Raum hinaus. Außerdem beschreitet
Deutschland mit ihm den Weg zur verfälschten Landkarte. Das
Totalverbot von Straßenfotos könnte drohen, weil Street View nach dem
Baukastenprinzip funktioniert. Die Kamera-Autos von Google haben nur
die Erstausstattung von Google Street View geliefert. Aktualisiert
werden sollen die Straßenansichten von Privatleuten. Google kann ja
nicht alle paar Jahre die Welt abfahren. Deshalb darf schon jetzt
jeder seine eigenen Bilder bei Street View einbauen. Wer also die
Bilder der Google-Kamerawagen von seinem Wohnhaus verbietet, muss
künftig alle Fotos seiner Straße untersagen. Denn jeder knipsende
Passant ist ein potenzieller Google-Zulieferer. Er kann solche
Privatfotos bei anderen Netzdiensten wie Flickr hochladen und dann
einen Verweis darauf bei Google schalten. Foto-Verbote sind nur in
Privatstraßen erlaubt. Soll Deutschland künftig aus Privatstraßen
bestehen? Street View ist eine Zivilisation im Geburtsstadium.
Tourismus, Immobilien, Marktforschung, Restaurants,
Einzelhandelsgeschäfte und vieles mehr werden auf ihm aufbauen. In
den USA ist eine solche Vernetzung jetzt schon weit verbreitet. Wenn
Deutschland bei Google zum Flickenteppich wird, hat der neue Markt
wenige Chancen. Dem neuen Markt diente auch die Erfassung lokaler
Computerfunknetze durch Google. Der öffentliche Internetzugang gehört
zur neuen Dienstewelt. Ein Verzeichnis solcher öffentlichen
Einwahlpunkte will Google liefern. Es hat dabei auch private
Funknetze erfasst. Das war technisch unvermeidbar. Der Protest
dagegen wirkt seltsam. Wer sein Privatnetz verschlüsselt betreibt,
kann über Google die Achseln zucken. Wer unverschlüsselt surft,
handelt wie jemand, der Briefe ohne Umschlag in die Post gibt oder
sein Tagebuch im Café auslegt. Street View ist die Landkarte der
Zukunft. Wer sie verfälscht, sich ihr verweigert, wird dastehen wie
die unglücklichen Städter, die zu spät ihre mittelalterlichen
Stadtmauern abrissen. Weil sie so viel Angst vor Räubern hatten,
verpassten sie die offene Zukunft.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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