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AKW-Laufzeitverlängerung: Bundesregierung treibt Gesellschaft in neuen Fundamentalkonflikt

Geschrieben am 05-08-2010

Berlin (ots) - Pressemitteilung

Weiterer dynamischer Ausbau Erneuerbarer Energien und
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke schließen einander aus -
Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und
Energiesystemtechnik (IWES) auf Basis des soeben von der
Bundesregierung verabschiedeten Nationalen Aktionsplans für
erneuerbare Energien zeigen: Schon in wenigen Jahren decken
regenerative Energien immer häufiger den gesamten nationalen
Strombedarf - In diesem Sommer mittägliche Stromeinspeisung aus
Photovoltaik von annähernd 10.000 Megawatt

Angesichts des wochenlangen Hochsommerwetters in Deutschland und
der damit verbundenen enorm hohen Einspeisung von Solarstrom in den
Mittagsstunden hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) auf
unauflösbare Widersprüche in der Energiestrategie der schwarz-gelben
Bundesregierung hingewiesen. "Wer einerseits den Eintritt in das
regenerative Zeitalter propagiert und andererseits auf verlängerte
Laufzeiten für Atomkraftwerke setzt, treibt diese Gesellschaft in
einen neuen Fundamentalkonflikt", erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer
Rainer Baake. Behauptungen der Atomkraftwerksbetreiber und von Teilen
des Regierungslagers, wonach sich Atomenergie und Erneuerbare
Energien bestens ergänzen, seien nichts als eine interessengeleitete
Irreführung der Öffentlichkeit: "In Wirklichkeit geht es bei der
künftigen Stromversorgung nicht um ein Sowohl-als-auch, sondern
deutlich früher als die meisten Experten angenommen haben, um ein
glasklares Entweder-Oder", so Baake. "Wer heute AKW-Laufzeiten
verlängert, wird morgen den Vorrang der Erneuerbaren in Frage
stellen, weil das Stromsystem sonst nicht mehr funktioniert."

Die Analyse der DUH basiert auf aktuellen Prognosen, die in dem am
Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedeten "Nationalen Aktionsplan
für erneuerbare Energien" der schwarz-gelben Bundesregierung
enthalten sind. Mit dem Aktionsplan kommt die Regierung einer
Aufforderung der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten nach, die
Ausbauperspektiven und -ziele der Erneuerbaren Energien bis 2020 in
ihren jeweiligen Ländern darzustellen. Eine der Kernaussagen für
Deutschland lautet: 2020 werden fast 40% des Strombedarfs durch
Erneuerbare Energien gedeckt. Die größten Zuwächse sind im Wind- und
Solarstromsektor zu erwarten. Eine jahresdurchschnittliche
Einspeisung von 40% bedeutet aber auch, dass die Strombereitstellung,
je nach Tageszeit und Wetterlage erheblichen Schwankungen unterliegt.

Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik
(IWES) in Kassel hat auf Basis der aktuellen Ausbauprognosen der
Bundesregierung und der Wetterdaten des Jahres 2009 die
voraussichtliche Einspeisung Erneuerbarer Energien in das Stromnetz
im Jahr 2020 ermittelt. Ergebnis der Projektion: In zehn Jahren
werden die Erneuerbaren Energien den nationalen Strombedarf immer
häufiger stundenweise komplett abdecken können. (siehe
Hintergrundpapier unter:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2357).

Nach dem geltenden Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat der
regenerativ erzeugte Strom Vorfahrt in den Netzen, er würde also
Atom- und Kohlestrom massiv verdrängen. Jedoch können Atom- und
Braunkohlekraftwerke aus technischen Gründen nicht stundenweise erst
ab- und dann wieder angefahren werden. Der Druck auf die Politik, den
Vorrang der Erneuerbaren zu beschneiden, würde umso stärker, je mehr
Atom- und Braunkohlekraftwerke dann noch am Netz wären. Das Ergebnis
des Konflikts sei vorhersehbar: "Das Nachsehen hätten die Betreiber
von Wind- und Solaranlagen und mittelfristig der Klimaschutz", so
Baake.

"Die Berechnungen auf Basis der Prognosen der Bundesregierung
zeigen, dass der klassische Grundlastbereich für konventionelle
Kraftwerke schneller zurückgefahren werden muss, als bisher
angenommen, um zu einem realistischen und konsistenten Fahrplan in
das regenerative Zeitalter zu kommen", sagte Dr. Carsten Pape aus der
Abteilung Energiewirtschaft und Netzbetrieb am Fraunhofer-IWES. In
Zukunft seien zur sicheren Deckung der so genannten Residuallast vor
allem flexible Gaskraftwerke notwendig, die schnell an- und
abgefahren werden können, um die Schwankungen der
Erneuerbaren-Einspeisung auszugleichen. In einem sehr sonnenreichen
Sommer wie dem des Jahres 2010 verschärfe sich das Problem
zusätzlich. Im vergangenen Juli seien um die Mittagszeit vermutlich
schon um die 10.000 MW Solarstrom ins deutsche Stromnetz eingespeist
worden. Bei vergleichbarer Wetterlage im Jahr 2020 könnte sich die
Einspeisung nach den aktuellen Prognosen der Bundesregierung fast
vervierfachen. Hinzu kämen dann erhebliche
Erneuerbare-Energien-Beiträge aus Wasserkraft, Bioenergie und je nach
Wetterlage aus Wind.

Baake erläuterte, dass unter dieser Perspektive der beschleunigte
Abbau unflexibler Atomkraftwerkskapazitäten und der Verzicht auf neue
Kohlekraftwerke das Gebot der Stunde für alle seien, die die
Energiewende in das regenerative Zeitalter ernsthaft vorantreiben
wollen. "Mit ihrer Absicht, ausgerechnet die nur in engen Grenzen
regelbaren Atomkraftwerke länger zu betreiben, setzt die
Bundesregierung die Bevölkerung nicht nur einem wachsenden
Sicherheitsrisiko aus. Sie verschärft auch mutwillig die
Herausforderungen, vor denen wir zweifellos stehen und fährt die
Energiewende vor die Wand. Das genau ist, was die Atomkonzerne sich
insgeheim wünschen". Baake erinnerte daran, dass zusätzlich zu den
fossil betriebenen Altanlagen seit 1990 Braun- und
Steinkohlekraftwerke mit einer Leistung von etwa 27.000 Megawatt
grundlegend modernisiert und neu gebaut wurden oder sich noch im Bau
befinden. Sie alle seien 2020 noch am Netz.

Baake und Pape forderten, neben der Flexibilisierung des
konventionellen Kraftwerkparks die Anstrengungen auf den Um- und
Ausbau der Stromnetze, auf neue Formen der Nachfragesteuerung ("Smart
Grid"), den Ausbau vorhandener und die Entwicklung neuartiger
Stromspeicherkapazitäten zu konzentrieren. Nur wenn alle vier
"Baustellen" gleichzeitig angegangen würden, könne der Übergang in
das regenerative Zeitalter gelingen. Baake: "Statt die Schlachten von
vorgestern noch einmal zu schlagen, sollte sich die Bundesregierung
an die Bewältigung der wirklichen Zukunftsaufgaben machen."

Ohne eine beschleunigte Energiewende könnten die national und
international vereinbarten langfristigen Klimaziele nicht erreicht
werden. Deutschland würde zudem im Wettbewerb um eine
Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts seinen bereits erreichten
Vorsprung leichtfertig verspielen.

In einer Stellungnahme zu einem Entwurf des von der
Bundesregierung am Mittwoch verabschiedeten "Nationalen Aktionsplans"
hatte die DUH die prognostizierten Ausbauzahlen für Erneuerbare
Energien als realistisch eingeschätzt. Sie könnten nach Einschätzung
der Umweltorganisation jedoch auch deutlich höher ausfallen, wenn die
Bundesregierung - etwa im Rahmen ihres angekündigten Energiekonzepts
- zusätzliche Maßnahmen ergreifen würde, die über Beschlüsse ihrer
Vorgängerregierungen hinausgingen. Entsprechende Vorschläge der DUH
sind neben der Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan einsehbar
unter:
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2357.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0151 55016943, Tel.: 030
2400867-0, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Carsten Pape, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Energiewirtschaft
und Systemanalyse, Fraunhofer-Institut für Windenergie und
Energiesystemtechnik, Königstor 59, 34119 Kassel, Tel.: 0561 7294371,
E-Mail: carsten.pape@iwes.fraunhofer.de

Dr. Cornelia Ziehm, Leiterin Klimaschutz und Energiewende, Deutsche
Umwelthilfe e. V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0160
94182496; Tel.: 030 2400867-0, E-Mail: ziehm@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin; Mobil: 0171 5660577, Tel.:
030 2400867-21, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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