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Peer Steinbrück (SPD) zur Rentengarantie der Großen Koalition: "Einer meiner schwersten Fehler."

Geschrieben am 03-08-2010

Hamburg (ots) - Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück
(SPD) hält die 2009 von der Großen Koalition beschlossene
Rentengarantie für einen schweren politischen Fehler: "Ich hätte
nicht mitmachen dürfen! Das war ein Tabubruch", sagt Steinbrück in
der NDR-Dokumentation "Steinbrücks Blick in den Abgrund - Macht und
Ohnmacht eines Krisenmanagers" (Sendetermin: Mittwoch, 4. August,
22.45 Uhr, Das Erste): "Ich habe letztlich am Kabinettstisch
mitgestimmt. Das war - im Sinne der Generationsgerechtigkeit - eine
falsche Entscheidung." Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle
hatte die Schutzklausel für Rentner vor einer Woche erneut in Frage
gestellt und dafür Kritik von CSU-Chef Horst Seehofer, aber auch vom
stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz geerntet.

Autor Stephan Lamby traf den ehemaligen Finanzminister für seinen
Film über mehrere Wochen immer wieder zu Gesprächen vor der Kamera;
dabei gab Steinbrück einen ungewohnt persönlichen Einblick in
Deutschlands schwerste Wirtschaftskrise seit Gründung der
Bundesrepublik. Zudem begleitete der Autor Peer Steinbrück durchs
Berliner Regierungsviertel, bei Fahrten in die deutsche Provinz und
zu einem Gespräch mit Altkanzler Helmut Schmidt.

Die Wirtschaftskrise in Deutschland sei noch lange nicht zu Ende,
sagt der ehemalige Finanzminister Steinbrück in der vom NDR in
Auftrag gegebenen ARD-Dokumentation: "Der Tiefpunkt wird innerhalb
der nächsten zwei Jahre erreicht sein. Ich halte die bestehenden
Risiken für so groß, dass ich uns noch nicht auf dem aufsteigenden
Ast sehe." Den positiven Signalen aus der Wirtschaft misstraut
Steinbrück: "Wir werden zwar einen Aufstieg erleben. Aber dann wird
es noch einmal einen Einbruch geben!" Grund für seine eher düstere
Prognose sind "die Überhitzungen auf einigen asiatischen Märkten,
auch die Entwicklung von Rohstoffpreisen." Die politische Klasse sei
mit der aktuellen Situation überfordert: "Die Märkte steuern im
Augenblick die Politik. Die Politik trabt den Entwicklungen
hinterher."

Selbstkritisch gesteht Peer Steinbrück eigene Fehleinschätzungen
ein. So habe er sich etwa bei den Rettungsversuchen von Opel im
Frühjahr 2009 geirrt. "Die Bürger haben nicht in der von der SPD
erwarteten Solidarhaltung, sondern als Steuerzahler reagiert. Als
Steuerzahler fiel ihnen ein: Warum sollen wir - bei ohnehin
bestehenden Überkapazitäten im Automobilbau - ein solches Unternehmen
retten? Das war eine strategische Fehleinschätzung der SPD."

Und mit dem Krisenmanagement, an dem Peer Steinbrück bis zur
Wahlniederlage der SPD im Herbst 2009 als Bundesfinanzminister
beteiligt war, ist er heute nicht mehr ganz zufrieden. Das
Finanzmarktstabilisierungsgesetz vom Oktober 2008 sei zwar gelungen,
auch die Verstaatlichung der Hypo Real Estate sei richtig gewesen.
"Aber international, in der Eurozone und der EU, hätten wir schneller
und rigider handeln müssen. Da haben wir uns zuviel Zeit genommen.
Vor allem beim Umgang mit den nicht-regulierten Märkten, auch mit
Hedgefonds. Und bei der Frage, wie wir die Finanzmarktaufsicht
international verbessern können. Wir haben dort zwar die richtigen
Absichten gehabt, aber es dauerte letztlich zu lange."

Ganz aus der Politik verabschieden will sich Peer Steinbrück
offenbar nicht. Auf die Frage "Können Sie sich vorstellen, für
Bundeskanzlerin Merkel - über alle Parteigrenzen hinweg - als
Sonderberater Finanzen tätig zu sein?" antwortet Steinbrück in dem
Film wörtlich: "Wenn es die Situation erfordert und wenn es aus der
Interessenlage des Landes richtig ist, dann würde ich das nicht
ablehnen." Allerdings habe er keine Ambitionen auf das Amt des
Bundeskanzlers: "Sie werden mich nicht an den Gitterstäben des
Kanzleramts erleben. Ich werde da allenfalls noch als Besucher
reingehen."

Weitere Zitate von Bundesfinanzminister a. D. Peer Steinbrück aus
dieser Dokumentation:

- Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland:

"Es mehren sich Indikatoren, dass ein vorsichtiger Aufstieg noch
einmal unterbrochen werden wird. Ich sehe mit Skepsis die
Überhitzungen auf einigen asiatischen Märkten. Ich sehe mit großer
Skepsis die Entwicklung von Rohstoffpreisen. Und ich glaube, dass wir
auch in Europa nicht aus den Problemen herauswachsen. Das Wachstum
wird uns nicht vor einigen Maßnahmen retten, die auch noch einmal
konjunkturdämpfend wirken werden."

- über die Zukunft Europas:

"Ich bin sehr besorgt über die Entwicklung Europas. Ich glaube,
dass wir mit den bisherigen Maßnahmen und Rettungspaketen noch nicht
ein Licht des Tunnels sehen. Europa gerät an die Peripherie des
Weltgeschehens und schwächt sich selber. Und das bereitet erhebliche
Sorgen."

- zu Rücktrittsgedanken im Frühjahr 2009

"Ich selber habe mich dieser Frage (eines Rücktritts) zwei, drei
Mal gewidmet. In einem Fall sehr ernsthaft. Das war im Fall von Hypo
Real Estate. Da hatte der Staat inzwischen über 80 Milliarden
Garantien, bei einer Börsenkapitalisierung dieser Bank von höchstens
200 Millionen. Da hielt ich es bei diesen hohen staatlichen Risiken
für zwingend erforderlich, auch den Einfluss in dieser Bank
gegebenenfalls über eine Verstaatlichung zu gewinnen. Wenn ich dies
nicht hätte durchsetzen können im Januar/Februar 2009, dann hätte ich
die Rücktritts-Frage gegenüber der Kanzlerin stellen müssen."

- zum Zustand der politischen Klasse und zur Vertrauenskrise in
Deutschland

"Die Politiker haben inzwischen bei weiten Teilen der Bevölkerung
einen solchen Vertrauensverlust, dass dies zu einem erheblichen
Problem werden könnte. Die personellen Auswahlmechanismen der Politik
und die Art ihrer Auftritte müssen sich fundamental ändern, um dieses
Vertrauen zurückzugewinnen."

Veröffentlichung von Zitaten frei bei Quellenangabe.

Fotos: www.ard-foto.de

Originaltext: NDR / Das Erste
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/69086
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_69086.rss2

Pressekontakt:
NDR / Das Erste
Presse und Information
Telefon: 040 / 4156 - 2300
Fax: 040 / 4156 - 2199
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