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NRZ: Treten Sie zurück, Herr Sauerland! NRZ-Kommenar zur Duisburger Tragödie

Geschrieben am 25-07-2010

Essen (ots) - Auch zwei Tage danach sitzt der Schock über die
Loveparade-Katastrophe tief. Grenzenlos ist die Trauer. Was in
Duisburg geschehen ist, erschüttert ganz Deutschland. Wir werden
dieses Ereignis wohl nie vergessen. Zu verstörend sind Ablauf und
Ausmaß des Unglücks. Wie konnte sich eine schrille, aber fröhliche
Party in ein Blutbad verwandeln? Klar ist: Die Toten und Verletzten
sind keinem tragischen Unglück zum Opfer gefallen. Nein, diese
Tragödie war kein unabwendbarer Schicksalsschlag, sondern
Menschenwerk. Resultat einer maßlosen Event-Gier, miserabler Planung,
oberflächlichem Veranstaltungsmanagement, und deshalb überforderter
Sicherheitskräfte. Unfassbar, aber wahr: Bürger und Polizei hatten
weit vor dem Ereignis immer wieder gewarnt, die Duisburger Loveparade
könnte in einem heillosen, unbeherrschbaren Chaos enden. Einige
hatten vorausgesagt, es könne Tote geben. Doch darauf haben die
Verantwortlichen nichts gegeben. Fahrlässig ist die Stadt Duisburg in
die Katastrophe gesteuert. Nun muss rückhaltlos aufgeklärt werden.
Ganz offensichtlich war das Veranstaltungsgelände zu klein, um über
eine Million Menschen zu fassen. Das diese Massen nur durch einen
Tunnel zur Party und wieder zurück gelangen konnten, hat eine
willkürliche Todeszone geschaffen. Die Panik in dieser Angströhre war
absehbar. Es gibt Schuldige - sie müssen benannt werden. Auch wenn
die Staatsanwaltschaft noch ermittelt, ist das völlige Versagen der
Duisburger Stadtverwaltung offensichtlich. Noch am Abend des
Unglücks, während in den Krankenhäusern weitere Schwerverletzte
starben, versuchten sich die Beamten feige herauszureden,
verteidigten sogar das Sicherheitskonzept. Unerträglich war die
zynische Reaktion des Oberbürgermeisters, der dem Verhalten der Opfer
eine Mitschuld gab. Sein empörendes Gerede war nichts weniger als die
Verhöhnung von Toten - von jungen Menschen, die von weit her in seine
Stadt gekommen sind, um zu feiern und die seine überforderte
Organisation in den Tod getrieben hat. Herr Sauerland, treten Sie vom
Amt des Duisburger Oberbürgermeisters zurück! Herr Sauerland, Ihr
Verhalten in der Stunde der Trauer und des Entsetzens war unwürdig
für den ersten Bürger einer Stadt, die mit der schlimmsten
Katastrophe der Nachkriegszeit ringt. Treten Sie zurück, so können
Sie am Ende den Hinterbliebenen der Opfer und vielen Verletzten ein
gewisses Maß an Respekt erweisen. Schuldig sind auch die
Veranstalter. Ihre Loveparade ist ja kein großes Straßenfest, wie das
fröhliche Still-Leben am Wochenende zuvor, sondern ein knallhartes
kommerzielles Unternehmen. Nun wird diese größte Party der Welt nie
wieder stattfinden. Gut so. Nur stellt sich erneut die Frage, ob sie
überhaupt in Duisburg hätte stattfinden dürfen. Es hat an Mahnungen
nicht gefehlt, dass Duisburg als Standort für ein solches
Mega-Ereignis völlig ungeeignet ist. Doch die wurden ignoriert.
Stattdessen setzte die Stadt alles daran, die Loveparade auf Teufel
komm raus zu ergattern. Imagegewinn ging vor Sicherheit. Selbst die
Macher der Kulturhauptstadt 2010 hatten sich mächtig für die
fragwürdige Veranstaltung ins Zeug gelegt. Nun ist auch ein Schatten
auf ihr Kulturhauptstadtjahr gefallen. Schock und Trauer wirken noch
lange nach. Das Geschehen wirft auch grundsätzliche Fragen auf: Sind
wir Opfer einer immer größeren Gier nach gigantische Events?
Irritierend war auch, dass die Show auf dem Gelände und in den
Kneipen und Clubs fröhlich weiterging, während die Opfer elend
verreckten. Selbst der WDR lud noch zur nächtlichen Party. Von
Betroffenheit und Würde keine Spur. Die Spaßgesellschaft fordert ihre
Toten - aber der Tanz geht weiter. Widerlich. Rüdiger Oppers,
NRZ-Chefredakteur

Originaltext: Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/58972
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_58972.rss2

Pressekontakt:
Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung
Redaktion

Telefon: 0201/8042607


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