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Ethikrat nimmt Beratungen zu Fragen der Reproduktionsmedizin auf

Geschrieben am 23-07-2010

Berlin (ots) - Am gestrigen Donnerstag hat der Deutsche Ethikrat
seine Beratungen zu Fragen der Reproduktionsmedizin aufgenommen.
Impulsreferate von Jochen Taupitz und Regine Kollek zu rechtlichen
und medizinischen Aspekten neuer Entwicklungen im Bereich der
Reproduktionsmedizin bildeten den Auftakt der Diskussionen, die in
eine Stellungnahme des Rates münden sollen.

Ratsmitglied Jochen Taupitz stellte die Frage, inwieweit das
Embryonenschutzgesetz noch zeitgemäß ist, in das Zentrum seines
Vortrags. Er konstatierte, dass das Embryonenschutzgesetz (ESchG)
trotz zahlreicher Neuerungen in Fortpflanzungsmedizin und
Entwicklungsbiologie seit mittlerweile zwanzig Jahren unverändert
fortbesteht. Dies sei insofern problematisch, als das Gesetz
strafrechtliche Verbote enthält, die aus verfassungsrechtlichen
Gründen besonders exakt formuliert sein müssen.

Taupitz gab einen Überblick über die Ziele des
Embryonenschutzgesetzes und wies auf Regelungen hin, die entweder
durch die jüngste Rechtsprechung - wie die des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte, des Oberlandesgerichts Rostock und
des Bundesgerichtshofs - eingeschränkt worden sind oder aus seiner
Sicht unterschiedlich ausgelegt werden können bzw. rechtspolitisch
umstritten sind. Dazu zählten das Verbot der Eizellspende, der
künstlichen Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen, der
Erzeugung und Verwendung von Embryonen zu einem nicht ihrer Erhaltung
dienenden Zweck, der Leihmutterschaft sowie das Verbot, mehr als drei
Embryonen auf eine Frau zu übertragen. Auch müsse gefragt werden, so
Taupitz, inwieweit es gerechtfertigt sei, den Embryo in vitro gemäß
Embryonenschutzgesetz stärker zu schützen als den heranwachsenden
Embryo bzw. Fötus gemäß dem geltenden Abtreibungsrecht. Dass das
Embryonenschutzgesetz novelliert werden müsse, sei zwar weitgehend
unbestritten; es müsse aber noch diskutiert werden, ob es zu ergänzen
bzw. zu präzisieren oder durch ein breiter gespanntes
Fortpflanzungsmedizingesetz abzulösen sei.

Ratsmitglied Regine Kollek zufolge ergibt sich aus den neuen
Entwicklungen reproduktionsmedizinischer Techniken, dem in den
vergangenen zehn Jahren geführten Ethikdiskurs und der jüngsten
Rechtsprechung ein neuerlicher Diskussionsbedarf. Allerdings sei
nicht klar, inwiefern die wissenschaftlich-technischen Entwicklungen
eine Reform des Embryonenschutzgesetzes zwingend erforderlich
machten.

In ihrem Referat stellte Kollek die technischen Möglichkeiten und
Grenzen von In-vitro-Fertilisation (IVF), Intrazytoplasmatischer
Spermieninjektion (ICSI), Polkörperdiagnostik (PKD),
Präimplantationsdiagnostik (PID) und anderer
reproduktionsmedizinischer Verfahren vor. Angesichts der
vergleichsweise geringen Erfolgsquoten und der relativ hohen
Mehrlingsrate von IVF und ICSI gewinne nicht nur der
Blastozystentransfer an Bedeutung, sondern auch die im Ausland häufig
angewandte PID. Im Rahmen der Krankheitsdiagnostik werde sie
zunehmend zur Identifizierung von Krankheitsdispositionen, aber auch
zur Krankheitsvermeidung und zur Auswahl des Geschlechts oder eines
sogenannten Retterbabys herangezogen. Darüber hinaus werde die PID
vielfach auch eingesetzt, um die Schwangerschaftsrate nach IVF zu
erhöhen, ohne dass dieser Effekt tatsächlich belegt sei.

Im Zuge der Debatten über eine Novellierung des
Embryonenschutzgesetzes bzw. die Einführung eines
Fortpflanzungsmedizingesetzes müsse, so Kollek, auch darüber
nachgedacht werden, inwieweit man diesen neuen Entwicklungen Grenzen
setzen sollte. Dabei müsse man auch die sozialen und Umweltfaktoren
in den Blick nehmen, die Ursache unerwünschter Kinderlosigkeit sein
können und den Einsatz der künstlichen Befruchtung befördern.

In der anschließenden Diskussion zeigten sich die Ratsmitglieder
zunächst an ganz konkreten Aspekten des Themas interessiert: der
IVF-Statistik, der Schwangerschaftsabbruchsrate nach IVF und
nachfolgender Pränataldiagnostik (PND) sowie der Kostenübernahme
durch die gesetzliche Krankenversicherung. Im weiteren Verlauf der
Diskussion wurde die Frage erörtert, welche Konsequenzen eine
Präzisierung des Embryonenschutzgesetzes bzw. eine umfassende
Regelung der neuen Technologien im Rahmen eines
Fortpflanzungsmedizingesetzes nach sich zöge und inwieweit der
Ethikrat eine Hilfestellung für den Gesetzgeber bieten könnte.

Bereits im November 2009 hatte der Ethikrat im Zuge der Festlegung
seines Arbeitsprogramms für 2010 das Thema Fortpflanzungsmedizin auf
die Agenda gesetzt. Eine ratsinterne Arbeitsgruppe wird im August
ihre Beratungen aufnehmen.

Die Präsentationen und der Audiomitschnitt der Diskussion sind
unter http://www.presseportal.de/go2/sitzungen/2010 abrufbar.

Originaltext: Deutscher Ethikrat
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/42978
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_42978.rss2

Pressekontakt:
Ulrike Florian
______________________________________

Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 +30 203 70-246
Fax: +49 +30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: http://www.ethikrat.org


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