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BERLINER MORGENPOST: Die Weisheit unserer demokratischen Regeln - Leitartikel

Geschrieben am 28-06-2010

Berlin (ots) - Es ist nicht viel Gutes gewesen an Horst Köhlers
unerklärtem Rücktritt, an dieser Flucht aus dem Schloss Bellevue,
dessen destruktive Qualität die des ähnlich abrupten
Lafontaine-Rückzugs noch übertroffen hat. So etwas macht man nicht.
Das ist ein spielerischer, im Zweifel egoistischer Umgang mit
höchsten Staatsämtern, der den nötigen Respekt vor unserer Demokratie
vermissen lässt und der sie unter dem Strich gefährdet. Wer einen
solchen scharfen Schnitt setzt, der muss ihn erklären oder, wenn man
selbst nicht die Kraft hat, wenigstens erklären lassen. Lafontaines
Begründungen waren läppisch, Köhlers unverständlich, ungenau,
unzureichend. Es ist denjenigen Politikern, die mit diesem wenig
würdevollen Geschehen umgehen mussten, hoch anzurechnen, dass daraus
keine Staatskrise wurde, sondern ein ganz gut temperiertes Ringen um
die Nachfolge. Das liegt zum großen Teil an der Qualität der beiden
aussichtsreichen Kandidaten, die eben keine Notlösungen sind, sondern
hervorragende Angebote an die am Mittwoch tagende Bundesversammlung.
Es geht ja relativ leicht von der Hand heutzutage, über Merkel und
Gabriel zu meckern, über SPD und Union und auch die FDP. Aber mal
eben zwei Kandidaten aus dem Ärmel zu schütteln, die mit Fug und
Recht Anspruch erheben können auf das höchste, wenn auch nicht
machtvollste Amt im Staate, das ist ja nicht so schlecht. Jeder von
den beiden wird nach der Wahl Anerkennung finden bei den Bürgerinnen
und Bürgern, keiner von den beiden wird polarisieren oder spalten.
Die Kandidaturen Wulffs und Gaucks, zweier Männer mit großen
Erfahrungen, großer Leidenschaft und großer Räson, sind die besten
Argumente gegen eine Veränderung des Verfahrens zur Wahl des
Bundespräsidenten. Sie sind in der Lage, die Bundesversammlung von
sich zu überzeugen, ohne laute Töne, mit großem gegenseitigem
Respekt. Wäre das auch so in einer Direktwahl? Die Vermutung, dass
beide auf diese leise Weise keinen Stich hätten gegen den viel
zitierten "Günther Jauch" liegt nahe, also gegen einen Populisten,
einen, der gekonnt nach dem Munde reden kann. Es liegt eine große
Chance auf Weisheit in den Regeln einer repräsentativen Demokratie.
Diesen Vorteil sollte man nicht leichtfertig aufs Spiel setzen, auch
wenn der Ruf nach einer Direktwahl immer eine Versuchung ist für
diejenigen, die in der Bundesversammlung in der Minderheit sind. Noch
ein Satz zur Forderung Kurt Biedenkopfs und auch Richard von
Weizsäckers, die Wahl freizustellen von "Fraktionszwängen". Ein
bemerkenswerter Vorstoß, der, gewollt oder ungewollt, ein Bild von
rückgratlosen, willfährigen Delegierten zeichnet, denen man es erst
schriftlich geben muss, dass sie bei einer geheimen und freien Wahl
auch geheim und frei abstimmen können. Es gibt klügere Arten, seiner
Unzufriedenheit mit dem Kandidaten des eigenen Lagers Ausdruck zu
geben.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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