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BERLINER MORGENPOST: So schafft die Regierung nicht mal die Vorrunde - Leitartikel

Geschrieben am 10-06-2010

Berlin (ots) - Angenommen, Angela Merkel wäre die Bundestrainerin
und ihr Kabinett die deutsche Auswahl für Südafrika - nicht einmal
die eingefleischtesten Fans würden dieser Mannschaft zutrauen, die
Vorrunde zu überstehen. Eine erfolgreiche Truppe braucht klare
Ansagen, ein Ziel, einen Fachmann auf jeder Position mit Technik und
Kondition, vor allem aber Disziplin. Oliver Kahn hat beim
Sommermärchen 2006 beispielhaft vorgemacht, wie Mannschaftsdienst
aussieht: Mit stoischem Schweigen hat er zunächst Lehmanns Berufung
zur Nummer eins ertragen. Im dramatischen Elfmeterschießen hat er dem
Rivalen sogar noch aufmunternd zugesprochen. Lehmann parierte zwei
Elfer, die deutsche Mannschaft stand im Halbfinale. CSU und FDP
könnten ein wenig vom Kahn-Spirit gut vertragen. Der Bundesregierung
fehlt derzeit dieser gemeinsame Wille zum Erfolg. Die
Regierungsmannschaft erinnert auf erschreckende Weise an die
EM-Truppe des Jahres 2000, als sich schon vor dem Turnier eine
Oppositionsgruppe gegen den schwachen Bundestrainer Erich Ribbeck
gebildet hatte. Einzelne Lichtblicke wie Scholl oder Deisler reichten
nicht, das Team mitzuziehen. Eine zerfahrene Truppe holte sich zwei
Niederlagen ab und fuhr zu Recht nach Hause. Die Kanzlerin durchlebt
jetzt ihre Ribbeck-Phase, schön abzulesen an der Nicht-Moderation des
Konflikts zwischen den Koalitionspartnern Westerwelle und Seehofer.
Die Streithähne wurden von der Chefin nicht etwa gebremst, sondern
vielmehr ermutigt, einfach weiterzukeilen. Ihr Ordnungsruf gestern
kam spät, sehr spät. Wie im Fußball gilt in der Politik: Ein
gemeinsames Ziel sorgt für Halt, Motivation und Ruhe. Steht dieses
Ziel fest, kann der Chef Verstöße ahnden und Quertreiber isolieren.
Wenn jeder allerdings sein eigenes Ziel definiert, funktioniert die
Hierarchie nicht mehr. Die Kanzlerin mag eine brillante
Machttaktiererin sein, aber als Teamchefin hat sie ein gewaltiges
Problem: Sie hat viele ihrer Führungsspieler vertrieben, kann ihren
Herrschaftsapparat aber gleichwohl nicht den beiden
Koalitionspartnern überstülpen. Ein Pofalla wird von den Streithähnen
kaum ernst genommen, wo ein Koch vielleicht noch für Ruhe hätte
sorgen können. Angela Merkel ist Siegerin auf dem Schlachtfeld der
Leere; sie ist zwar unangefochtene Anführerin, hat aber keine
Führungsspieler mehr auf dem Feld, die ihre Ideen umsetzen können -
für jeden Trainer ein Albtraum. Es gehört zur Ironie des Regierens,
dass ausgerechnet ein hocheffizienter, hochprofessioneller und hoch
motivierter Apparat wie die Nationalelf nun der Merkel-Truppe ein
paar Wochen Luft verschafft - krasser könnte der Gegensatz zwischen
Sympathieträgern und Stolpertruppe kaum sein. Es wäre ein kapitaler
Fehler der Kanzlerin, die vielen Fähnchen an Autos und von Balkons
als Zustimmung zu dieser Regierung zu interpretieren. Die Deutschen
freuen sich auf die WM und für ihre Mannschaft - trotz dieser
Bundesregierung.

Originaltext: BERLINER MORGENPOST
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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