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Südwest Presse: Kommentar zur Koalition

Geschrieben am 04-06-2010

Ulm (ots) - Angela Merkel hat bei der Präsentation des künftigen
Staatsoberhaupts ein doppeltes Bekenntnis abgelegt. Christian Wulff
werde ein "wunderbarer Bundespräsident" - und die Bundesrepublik sei
ein "wunderbares Land". Wenn beides stimmt, dann fragt sich
allerdings: Weshalb hat die Bundeskanzlerin erst einmal auf ein
anderes Pferd aus Niedersachsen gesetzt? Und warum lässt die
CDU-Vorsitzende zu, dass dieses schöne Land seit Monaten so miserabel
regiert wird? Nun ist Christian Wulff gewiss kein Kandidat, den man
verstecken muss. Als Ministerpräsident in Hannover und
stellvertretender Parteivorsitzender hat er auch auf Bundesebene
hinreichend bewiesen, dass er politische Führungsaufgaben zur
Zufriedenheit seiner Wähler erledigen kann. Er versteht sich auf die
Geschäftsbedingungen dieses parlamentarischen Systems, und er
kommuniziert auf eine unverkrampfte Weise, die den Menschen gefällt.
Freilich ist nicht erinnerlich, dass Wulff in seinen bisherigen
Ämtern tiefe Spuren hinterlassen hätte. Von ihm stammt keine
wegweisende Idee, in den großen Debatten der Gesellschaft war er kaum
mit profilierten Beiträgen zu vernehmen. Beliebt, aber beliebig, so
heißt es nicht selten über einen weithin konturlosen Mann, von dem
künftig Orientierung und Integration, Zuspruch und Ermahnung erwartet
werden. Keine Experimente - dieses Motto hat Schwarz-Gelb bei der
Einigung auf Wulff geleitet. Es ist ein rein machtpolitisches
Zugeständnis an die interne Statik der CDU und die brüchige
Stabilität der Koalition. Damit verpasste Angela Merkel die erste
Chance, in diesen für die Bundesregierung so schicksalhaften Wochen
ein Zeichen des Aufbruchs und des Behauptungswillens zu setzen. Seit
der Wahl im vergangenen Herbst ist nicht nur die demoskopische
Zustimmung zum bürgerlichen Lager dramatisch gesunken, sondern
zugleich das Vertrauen in die Gestaltungskraft der Politik. Die
Finanzkrise, die Euro-Schwäche, der seltsam begründete
Köhler-Rücktritt - das alles irritiert die Bevölkerung in hohem Maße.
Deshalb ist jetzt eine Kanzlerin gefragt, die entschlossen und
weitsichtig handelt, nicht etwa parteipolitisch kleinkariert und in
Sorge vor dem nächsten Wahltermin oder vermeintlichen Konkurrenten.
Es gibt nichts mehr zu verschieben, bloß noch zu entscheiden:
Haushalt, Gesundheit, Bildung, Atomenergie, Bundeswehr. Das hört sich
nicht nur gewaltig an - es ist in dieser Ballung die vielleicht
anspruchsvollste Herausforderung, vor der je ein Kabinett gestanden
hat. Es wäre ebenso sinnlos wie unverantwortlich, die aktuellen
Probleme zu vertuschen oder überfällige Beschlüsse weiter zu
verzögern. Das interessierte Publikum hat längst verstanden, dass es
um tiefgreifende Weichenstellungen geht, die nachhaltig auf die
Zukunft des Gemeinwesens und jedes einzelnen Bürgers wirken werden.
Diese Aussicht muss niemandem Angst machen, sofern die Politik ihren
Auftrag ernst nimmt und endlich begreift, dass sie ideologische
Scheuklappen ablegen und mutig nach Lösungen suchen muss, die über
den Tag hinaus tragfähig sind und nicht allein dem parteitaktischen
Vorteil dienen. Bislang sind Angela Merkel und ihre Koalition den
Beweis dafür schuldig geblieben, dass sie die Zeichen der Zeit
erkannt haben und der zugespitzten Lage gemäß handeln. Das untergräbt
zum einen die Akzeptanz von Schwarz-Gelb, zum anderen den Glauben an
die Funktionstüchtigkeit unserer politischen Institutionen. Es gibt
daher viele Gründe für die Kanzlerin und die Regierung, sich
zusammenzuraufen und die Fundamente dieser Republik zu festigen.
Darauf hoffen inzwischen sogar jene, die im September nicht Union
oder FDP gewählt haben.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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