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Frankfurter Neue Presse: Über Horst Köhlers Rücktritt. Der einsame Präsident. Leitartikel von Chefredakteur Rainer M. Gefeller.

Geschrieben am 31-05-2010

Frankfurt am Main (ots) - Dass einer sein Amt wegwerfen könnte
wegen einer solchen Lappalie, wegen einer missverständlichen Äußerung
über den Einsatz der Bundeswehr - das ist im Politbetrieb nicht
vorgesehen und gilt als weinerliche Überreaktion. Aber vielleicht war
dieser Horst Köhler selbst das wirkliche Missverständnis. Kein Mann
für ein politisches Amt - und erst recht kein Mann, der sich ins
Parteiengefüge sortieren ließ.

Am Ende seiner ersten Amtszeit galt er gerade deshalb noch als
wahrer Volksheld. Der unabhängige Anti-Politiker im Schloss Bellevue,
"Super-Horst", wie die Bild-Zeitung ihn feierte - der Mann, der sich
die große Koalition vorknöpfte, wenn sie ihm zu zögerlich erschien;
der Gesetze nicht unterzeichnete, die ihm schlecht durchdacht
schienen...

Das wirkt heute, als wäre es schon lange her. Denn in dem einen
Jahr seiner zweiten Amtszeit wirkt Köhler wie ausgewechselt. Zu den
großen die Nation bewegenden Themen - den Missbrauchsfällen in Kirche
und Schulen, die Euro-Krise - fand der Bundespräsident kein
aufklärerisches oder fürsorgliches Wort. Ein paar kaum bemerkte
Auslands-Reisen, protokollarische Pflichten, sonst war da nicht viel.
Man rümpfte die Nase im Land, der Spiegel verhöhnte ihn als
unsichtbares "Schlossgespenst" - und die Regierung schwieg zu den
Vorhaltungen. Als jetzt, nach seinen Erläuterungen über
Kriegs-Einsätze der Bundeswehr, die Opposition über ihn herfiel, war
das nur der letzte, offenbar nicht mehr zu ertragende Schlag - zumal
auch dieses Mal die Unterstützung durch die Koalition unterblieb.

Das war vielleicht dumm. Denn der Mensch Köhler, der sich im Amt
entehrt und allein gelassen fühlte, hat gestern einerseits offenbart,
dass er nicht den Tölpel der Nation geben will - und anderseits
bewiesen, dass sein Amt über mehr Macht verfügt, als den Regierenden
lieb ist. Denn sein Rücktritt, die Waffe des einsamen Mannes,
versetzt der sowieso angeschlagenen schwarz-gelben Koalition einen
weiteren Tiefschlag.

Originaltext: Frankfurter Neue Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/45990
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_45990.rss2

Pressekontakt:
Frankfurter Neue Presse
Chef vom Dienst
Peter Schmitt
Telefon: 069-7501 4407


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